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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG
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Kürzung verdient hätte.181 Gerade das Handarbeiten – Anna Freud blieb
dafür bis zu ihrem Lebensende berühmt182 – konstituiert ein symbolisches
Feld, in das Sexualität und Erotik, Annäherung und Zurückweisung, Pro-
duktivität und Kreativität gleichermaßen eingeschrieben sind, wie es eine
Verbindung eingeht mit der Anna-Lou’schen literarisch-künstlerischen
Symbiose und dann fürs Noch-nicht- und Ungeschriebene, für das Unsag-
bare und doch zum Ausdruck-kommen-Wollende steht Gleich in den ers-
ten Monaten, nachdem sie einander in Wien kennengelernt hatten, fing
Anna an, eine Jacke für Lou zu häkeln: Wenn sie ein ordentlich menschli-
ches Kleidungsstück geworden ist, komme ich mit ihr und lese dafür Rilke’s
Elegien, auf die ich mich unendlich freue.183 Lou schrieb 1922 für Anna Ril-
kes noch unvollendete »Duineser Elegien« ab 184 Ein ganz besonderes
Geschenk für die Freundin, die 1913 aufgeregt an den Vater geschrieben
hatte: Hast Du in München wirklich den Dichter Rilke kennengelernt? Wie-
so? Und wie ist er?185 und ihm 1915 bei der ersten Hochzeit ihres Bruders
Oliver persönlich begegnet war 186 Seine Gedichte wisse sie zum Teil aus-
wendig herzusagen187, hatte Freud schon 1915 an Lou geschrieben, und
noch 1971 zitierte sie bei ihrem Schlussreferat über das Thema Aggressi-
on beim 27 Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Wien Rainer
Maria Rilke als einen, der die Bewegung zum Tod als eine der wichtigsten
Aufgaben des Lebens betrachtet.188 So nämlich las sie beispielsweise die
neunte der »Duineser Elegien«, die Lou 1923 für sie abschrieb. Schon wie
ich noch ganz winzig klein war, (…) habe ich mir immer das Stillstehen
und die Ewigkeit von allem gewünscht, so als ob nur darin wirklich Raum
und Ruhe wäre, sich auszubreiten. (…) Weißt Du, wir haben einmal über
die Landschaft in Friesland gesprochen, wie ich jetzt bei Dir war. Daß es
mir so schön vorkommt, dort zu sein, weil sie eigentlich nichts mehr ist; so
181 Lütkehaus, L.: Furie und Femme fatale. Online im Internet: http://www.zeit.
de/2002/35/200235_st-salome_xml/komplettansicht
182 Bulletin of the Hampstead Clinic 6 (1983), H 1, S 52, S 89, S 102, S 103
183 LAS-AF, I, S 23
184 Vgl dazu Rothe, Weber im Nachwort des Briefwechsels, LAS-AF, II, S 885 f
185 SF-AF, S 115
186 SF-AF, S 118, Anm 8
187 SF-LAS, S 31
188 Anna Freud, Bemerkungen zur Aggression, S 2793
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anna Freud
- Subtitle
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Editor
- Brigitte Spreitzer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 13.5 x 21.0 cm
- Pages
- 144
- Keywords
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Categories
- Weiteres Belletristik