Page - 76 - in Anna Freud - Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Image of the Page - 76 -
Text of the Page - 76 -
ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG
76
Rückstellungsantrag nach bestehendem österreichischen Gesetz nur für
das halbe Hochrotherd hätte stellen können. Für den Anteil ihrer Ge-
fährtin Dorothy Burlingham, wie der Käufer Walter Stein 1948 ausführt,
besteht eine Rückstellungspflicht keinesfalls (…), da auf sie als amerikani-
sche Staatsbürgerin zur damaligen Zeit ein politischer Druck nicht ausge-
übt werden konnte.354
Ursprünglich muss es in Freuds Absicht gelegen haben, die literarische
Begabung seiner Tochter durch das Arrangement einer Freundschaft mit
Lou Andreas-Salomé zu fördern So jedenfalls Anna in einem Brief an den
Bruder Ernst Mitte 1919: Ich kenne sie nur aus ihren Briefen an Papa und sie
würde mich sehr interessieren. Papa möchte, daß ich etwas, was ich diesen
Winter geschrieben habe – ein Teil eines Buches, aber noch nicht fertig – an
sie schicke. Aber ich habe noch keinen Mut dazu.355 Oder sollte das nur der
Beziehungsanbahnung mit der in erster Linie als Dichterin bekannten Lou
Andreas-Salomé dienen? Denn im Weiteren scheint er ja die literarischen
Vorhaben tendenziell unterlaufen zu haben Diese Mutmaßung wird auch
durch die weitere Entwicklung bestätigt: Wenn die Dichterin Anna ver-
schwindet und der Reimeschmiedin oder den Hundepoet(inn)en Platz
macht, dann korrespondiert das mit einer Seite, die durchaus auch der
Vater kennt und spielerisch pflegt: In antikisierendem Versmaß dichte-
te er Glückwünsche an Wilhelm Fließ, als dessen zweiter Sohn geboren
wurde 356 Martin Freud – selber Verfasser von Gelegenheitsgedichten, die
ihm, in den Worten Sigmunds, hoffentlich nicht weiter schaden werden357
– erinnert sich an die köstliche Wortakrobatik des Vaters, die dieser selber
sehr genossen habe, etwa zum Ausdruck seiner Aversion gegen Fahrrad-
fahrer, die den Staub linieren und die Kinder überführen.358 Und 1915 erhält
Anna folgende Zeilen aus Karlsbad, aus väterlicher Feder: Ich habe hier
noch zu einer anderen schriftstellerischen Arbeit Gelegenheit gehabt. Vor
dem Freundschaftssaal, wo wir frühstücken, befindet sich ein Mann, der
354 AF-AA, S 342
355 FML, Briefe Anna Freud – Ernst Freud, 1919-1970, Brief v 11 V 1919
356 SF-WF, S 432 f
357 SF-BadK, S 36
358 Martin Freud, Mein Vater Sigmund Freud, S 115
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anna Freud
- Subtitle
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Editor
- Brigitte Spreitzer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 13.5 x 21.0 cm
- Pages
- 144
- Keywords
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Categories
- Weiteres Belletristik