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3 AntimuslimischerRassismusalsanalytischesKonzept 73
(Sartre 1994 [1944]: 36).DerAntisemitwiederum ist »einMensch, der Angst
hat.NichtvordenJuden,gewiß: vor sichselbst,vor seinemBewußtsein,vor
seiner Freiheit, vor seinen Trieben, vor seiner Verantwortung, vor der Ein-
samkeit, vorderVeränderung, vorderGesellschaft undderWelt; vor allem,
außervordenJuden« (Sartre 1994 [1944]: 35).
Horkheimer und Adorno formulieren zur gleichen Zeit Ähnliches in
den als Kapitel ihrer »Dialektik der Aufklärung« erschienenen, im US-
amerikanischen Exil verfassten »Elementen des Antisemitismus«. Auch sie
verstehenAntisemitismusals »sozialenMechanismen«gehorchend,»beide-
nendieErfahrungenderEinzelnenmit JudenkeineRolle«spiele,undfahren
inConclusio fort: »Es hat sich tatsächlich gezeigt, dass der Antisemitismus
in judenreinenGegendennichtwenigerChancenhatalsselbst inHollywood.
AnstellevonErfahrungtrittdasCliché,anstellederinjenertätigenPhantasie
fleißige Rezeption« (Horkheimer/Adorno 2000 [1944]: 244). Er gelte daher,
denAntisemitismus vondenFunktionenher, die er für die AntisemitInnen
hat, zu begreifen.Wo Sartre von der »Idee des Juden« spricht, ist es für
HorkheimerundAdornodas »Bild« der Juden,das »dieZüge [trägt], denen
die totalitär gewordene Herrschaft todfeind sein muss: des Glückes ohne
Macht, des Lohnes ohne Arbeit, derHeimat ohneGrenzstein, der Religion
ohneMythos.« Dieses Bild existiere, »[g]leichgültig wie die Juden an sich
selber beschaffen seinmögen« (Horkheimer/Adorno 2000 [1944]: 242). Und
wiebeiSartreder Judeein»Vorwand« ist,dessensichderAntisemitbedient
um einen Platz in derWelt zu behaupten und »seine Ängste im Keim zu
ersticken« (Sartre 1994 [1944]: 36), verstehen Horkheimer und Adorno den
Antisemitismus als auf einer »falschen« oder »pathischenProjektion« beru-
hend (Horkheimer/Adorno 2000 [1944]: 233). Die Logik des Antisemiten ist
ihnen letztlichdieLogikdesParanoikers;Paranoiawird jedochnicht indivi-
dualpsychologischverstanden,sondernalspathologischeVerarbeitungsform
einerkrisenhaftenbürgerlichenGesellschaft.
Für die vorliegende Studie ist dieser kurze Ausflug in die Anfänge der
modernen Antisemitismustheorie relevant, weil hier ein Kerntheorem der
kritischenRassismustheorie, das auch für dieKonzeptiondes antimuslimi-
schen Rassismus von entscheidender Bedeutung ist, entwickelt wird. Das
heißt nicht, dass sich die Erkenntnisse in Bezug auf den Antisemitismus
problemlosaufdieAnalyseandererRassismenübertragen ließen.Undselbst
diese Formulierung ist noch ungenau, wehren sich doch weite Teile der
Antisemitismusforschung gegen die Eingliederung des Antisemitismus in
denÜberbegriffdesRassismusüberhaupt–nichtzuletztunterBezugnahme
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik