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4 GrundlageneinerhegemonietheoretischenRassismusanalyse 117
demKlerusdesSüdensverblieben–unddamitzugleichderHegemonieder
Großbourgeoisieunterworfen.
Um zu verstehen, warum das notwendige Bündnis von ArbeiterInnen
undBauern/Bäuerinnen fehlschlug,untersuchtGramscidasVerhältnis zwi-
schenNordenundSüdenalspolitischesKräfteverhältnis. ImSüdenkönnten
demnachdrei soziale Schichten ausgemachtwerden.Er unterscheidet zwi-
schen»dergroßengestaltlosenundzusammenhanglosenBauernmasse,den
Intellektuellen aus der kleinen und mittleren Dorfbourgeoisie sowie den
Großgrundbesitzern und den großen Intellektuellen.« Zusammen bildeten
sie einen »großen agrarischen Block« (Gramsci 1955: 21), der durch die
moralisch-intellektuelle Führung der ländlichen Intellektuellen zusammen-
gehaltenwird: »DerBauerdesSüdens istmitdemGroßgrundbesitzerdurch
den Intellektuellen verbunden« (Gramsci 1955: 24).10Dieser agrarischeBlock
wiederum ist in ein Hegemonieverhältnis mit dem Norden eingebunden,
das Gramsci als koloniales Verhältnis bezeichnet. Gramsci zitiert die von
ihmwährendderTurinerRätebewegungherausgegebeneZeitung »L’Ordine
Nuovo«: »DieBourgeoisie desNordenshat Süditalienunddie Inselnunter-
jocht und zu einer ausgebeuteten Kolonie herabgewürdigt« (Gramsci 1955:
6) DieseThese wurde in den Jahren danach bestärkt und vertieft. In den
gemeinsammit Palmiro Togliatti verfasstenThesen für den 1926 imLyoner
Exil abgehaltenenKongress der Kommunistischen Partei heißt es, dass die
DominanzdesNordensüberdenSüden
»diearbeitendenBevölkerungendesSüdens ineineLagebringen,dieana-
log istzu jenerderkolonialenBevölkerungen.DiegroßeIndustriedesNor-
denserfüllt ihnengegenüberdieFunktionderkapitalistischenMetropolen.
DiegroßenGrundbesitzerunddiemittlereBourgeoisiedesSüdenswieder-
umerfüllendieRolle Jener,diesich indenKolonienmitderMetropolever-
10 Der einflussreichste dieser »südlichen Intellektuellen«war derNeapolitaner Benedet-
toCroce,derwichtigste italienischePhilosophzuBeginndes20. Jahrhunderts.Gramsci
intellektuelleAuseinandersetzungmitCrocezieht sichdurchseinegesamteSchreibtä-
tigkeit.Wiewichtig ihmdie Rolle Croces schien, belegt eine Formulierung in denGe-
fängnisheften:»Manmuss[…] zudieserAbrechnung[mitCrocesPhilosophie,Anm.B.O.]
kommen,aufmöglichstbreiteundvertiefteWeise.EinederartigeArbeit,einAnti-Croce,
der immodernenkulturellenKlimadieBedeutungundWichtigkeit habenkönnte, die
derAnti-Dühring fürdieGenerationvordemWeltkrieggehabthat,wärederMühewert,
dassihreineganzeGruppevonMenschenzehnJahreihrerTätigkeitwidmen«(GH:1248;
Herv. i.O.).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik