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292 ImNamenderEmanzipation
»AktuellwerdenAntisemitismenauffälligerweiseauchuntermarginalisier-
tenMinderheitenmitmigrantischenHintergründenartikuliert […]. Fürden
mehrheitsdeutschenUmgangmit sekundärenAntisemitismen bietet sich
dadurch eineGelegenheit, zumeinen das Problem jenseits der einheimi-
schenMehrheitsgesellschaft anzusiedelnundumanderen,dieNichtzuge-
hörigkeitebendieser ›Nicht-ganz-Deutschen‹bestätigtzusehen.« (Messer-
schmidt2009:68)
WerdiemuslimischenAnderen als ›eigentliche‹ TrägerInnen des Antisemi-
tismus identifiziert,wäschtdie ›eigene‹Gesellschaft vomVorwurfderTäter-
undKomplizenschaft rein.Wird,wie inder Interviewpassage,dieseOpera-
tionmitdemMechanismusderTemporalisierungverknüpft–»wirsindhof-
fentlichmehrheitlichdrüberhinweg«;»jetzthabenwirdasGanzenocheinmal«;
»jetztkommtdasganzewieder!« (Herv.B.O.)–entstehtdasNarrativvomge-
läutertenSubjekt,daszwarhistorischSchuldaufsichgeladenhat,aberdurch
Bildungsanstrengung,SelbsthinterfragungundSĂĽhneleistungdenStatusdes
leuchtendenVorbilds fürdie rückständigenAnderenwieder erringenkonn-
te. ImhierbehandeltenBeispiel tritt jedochnocheinweitererAspekthinzu.
DennderDiskursmechanismusderTemporalisierungentsorgthiernichtnur
die historischeVerantwortung fĂĽr denNationalsozialismus, sondernmacht
auch aktuelle Formen rechtsextremer, autoritärer Politik unsichtbar.Was in
derZusammenschaudesMaterialsauffällt,istdassdieFPÖalswichtigstepo-
litischeAkteurin inZusammenhangmit antimuslimischenDiskursen iden-
tifiziert wird. Auch der oben zitierte Redakteur nimmt auf die FPĂ–Bezug
– vier von sechs Codierungen zumentsprechenden Topos entfallen auf die
rechtspopulistischePartei.ZumZeitpunktdes Interviews lagdie FPĂ–unter
Heinz-Christian Strache, die der Befragte an einer Stelle als verantwortlich
für»antimuslimischeKampagnen«bezeichnet,inbundesweitenWahlumfra-
genkonstant aufdemerstenPlatz.Trotzdemwerdendie »Neigungzu star-
kenMännern«, »autoritäre Erziehung«, »Fremdenfeindlichkeit«, »Antisemi-
tismus«, »Vorurteile« sowie »autoritäresDenken« als etwas derGesellschaft
äußerliches dargestellt.Wenn Karakayalı meint, dass der antimuslimische
RassismusliberalerPrägungbehaupte,»[d]iekulturelleLeistungdesWestens
bestehedarin,ebendiese[faschistische,Anm.]VergangenheitabgeschĂĽtteltzu
haben« (Karakayalı 2011: 99;Herv.B.O.),müssenwir ergänzen, dass dieGe-
genwart autoritärerPolitikgleichsammitentsorgtwird.
Diese Dimension der Temporalisierung des/dermuslimischen Anderen
verweistaufeinendrittenMythos,derdiekulturelleTraumweltdes liberalen
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Ă–sterreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik