Page - 13 - in Anton Kuh - Biographie
Image of the Page - 13 -
Text of the Page - 13 -
13
Als »physiologisch linksstehende[r] Mensch« ist er zwar gegen die
Unfreiheit, aber für den Adel, soll heißen: »gegen das Privileg auf die
reinen Hemden […], aber nicht gegen die reinen Hemden selbst«.20
Und wenn er auch »ein Gymnasialbolschewik« warÂ
– »in der Religions-
stunde Spartakussist« –, vor die Wahl gestellt »zwischen dem schlimm-
sten Seelenquäler, der den Katalog als Bakel schwingend wie ein Cara-
calla dastand, und [s]einem Nebenmann, der [ihm] mit zuckendem
Kretinslächeln zuraunte: ›Uj jessas, der Profax!‹ – [er] lief zur Monar-
chie.«21
»Hamsunist«: Läßt sich vom Lebenswind treiben, »ohne nach mora-
lischen Wertungen und Handlungen zu lechzen, aber doch immer mit
der tiefen Freude am Wunder des Daseins«; genießt das Leben »wie eine
paradiesische Wildnis […], voll Voraussetzungslosigkeit, aber nicht mit
der Koketterie des Nichtstuers, mit ein biĂźchen Melancholie, aber ohne
Pose«: ein »aristokratischer Landstreicher«.22
»Zeitlebens ein Besitzloser«, und das »aus Überzeugung fast mehr
als aus Zwang«23, hat er, der gut verdient, ständig Schulden. Er schnorrt,
hat aber mit der Zunft der kleinen Schnorrer nichts am HutÂ
– er schnorrt
stilvoll und in großem Stil, ist darin »Weltklasse«24. Er kennt eine Un-
menge Leute aus den besten Kreisen, die er anpumpen kann – Rudolf
Kommer, der Galerist und Kunsthändler Fritz Mondschein (nachmals
Frederick Mont) und später dann Alexander Korda zählen zu seinen
Mäzenen –, zudem besteuert er zahlungskräftige Zeitgenossen. Leo
Perutz, den er in Salzburg einmal als »Geschäftsträger« zu Erich Maria
Remarque schickt, um diesen um 400 Schilling anzupumpen, spielt
Kuh den bösen Streich, nur 4 Schilling 20 zu fordern, was dessen Pläne
dann gehörig über den Haufen wirft: eine Gemeinheit, die Kuh Perutz
lange nachträgt.25
Ob im Kaffeehaus oder in teuren Restaurants: Er zahlt nie selbst,
immer begleicht einer aus der Runde die Rechnung fĂĽr ihn. SchlieĂź-
lich beschenkt er die Runde in verschwenderischem Maß durch seine
Anwesenheit, »mit geistreichem Klatsch, mit Quintessenzen neuester
Philosophien«.26
Exzedent. Das UngestĂĽme, Lodernde, Sichselbstverzehrende zeich-
net nicht allein den Stegreif-Redner aus, Kuh lebt nach dem Wahlspruch,
mit dem Walter Pater das Wesen des Künstlers beschreibt: »in die
Minute des Daseins möglichst viel Pulsschläge zusammendrängen«27 –
exzessiv. Er würde die »Rolle des Exzedenten«, dem nichts Mensch-
liches fremd ist, gegen keine andere tauschen wollen.28 Wenn dabei
auch nichts andres als Störung der Ruhe herauskäme, insistiert er:
»Vive l’excès!«29
back to the
book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter SchĂĽbler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien