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er liefere einfach, was seine Anhänger von ihm erwarten: »Selbstdarstel-
lung eines unverbindlich plaudernden, schalkhaft gescheiten, das Wort
und die Geste beherrschenden, auf Verblüffung abzielenden, treffsiche-
ren Improvisators.«13 Der Berliner »Vorwärts« spricht nach dem »Külz-
und-Kunst«-Vortrag gar von einer »Selbstladeschnauze«, die eine Rakete
nach der anderen abgefeuert habe, von denen aber nur ab und zu auch
eine witzsprühend losgegangen sei, die meisten Pointen jedoch seien
unter den Tisch gefallen.14
Ähnlich Bernhard Diebold, der Kuh nach dem Vortrag »Schwan-
neke oder Die Pleite des Geistes« ziemlich unverhohlen als Pausen-
clown hinstellt: Auch wenn Kuh in exzentrischen Kreisen denke, die
öfter hinter dem Kopf herumzielen statt vom Hirn direkt aufs Objekt, so
mache er seinem Auditorium doch eine schrullige Philosophie zurecht,
»die zwar den Geist nicht nährt, jedoch aufs angenehmste kitzelt«. So
hätten die griechischen Sophisten die großen Herren Griechenlands
beim Abendessen unterhalten, wenn zum Dessert bereits die Weine
ungemischt gefordert wurden und kurz darauf die Flötenspielerinnen
kamen. »Nach dem Jongleur der witzigen Begriffe erschien die Wirk-
lichkeit zum fleischlichen Begreifen.«15
Wer will, der bleibt ohnehin nicht an der moussierenden Oberfläche
hängen, sondern läßt sich auch auf das durstlöschende Darunter ein.
Fast will es scheinen, als sei Franz Blei in dem plastischen Porträt des
Redners Kuh, das er nach dessen »Snob«-Vortrag schreibt, diesem auf
Bestellung beigesprungen. Hatte schon die Einleitung zu Bleis Porträt,
die sich konkret zur Berliner Sonntagsmatinee äußert16, Kuh attestiert,
daß man »seine Kritik Berliner Zustände ernster zu nehmen hat, als sie
auftritt«, so statuiert Franz Blei generell, als wär’s eine Entgegnung auf
den »Schaumschläger«-Vorwurf: »Denn da wird ja nicht so unverbind-
lich witzig gesprochen, sind nicht Dinge und Personen nur so angekit-
zelt. Sondern da ist mit höchster Dezision gesprochen und mit einer
Leidenschaft der Gesinnung, die ja überhaupt nur und allein der Anlass
solcher Rede sein kann, nicht selbstgefällige Schöngeisterei, die sich
spreizt. Das plätschert nicht munter und schäumt zuweilen ein biss-
chen auf, sondern das haut und sticht, muss es sein, auch gegen sich
selber.«17
Kuh ist sich der Gefahr bewußt, daß sein Publikum – auf Pointen
lauernd, die es auf offener Szene beklatschen kann
– über dem Witz die
Wahrheit vergißt, daß er, dessen Witz sich aus einer tiefsitzenden Ab-
neigung gegen Wichtig- und Würdigtuerei mit Laune verbindet, nur als
besserer Clown, als geistiger Knockabout wahrgenommen wird. Er
legt durchaus Wert darauf, ernst genommen zu werden. Auch wenn er
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien