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um seiner genialen Unarten willen verwöhnen wird und der er, je mehr
sie ihn verwöhnt, umso heftiger, umso zügelloser entgegenzischen, sich
entgegenbäumen und entgegenwerfen muß.«27
Wer nur kommt, weil er sich von Kuh einen Hauptspaß erwartet,
wird zwar nicht enttäuscht
– aber nur, soweit er über sich selbst lachen
kann. Denn Kuh katzbuckelt nicht vor den Versammelten, sondern er
wird durchaus »unpleasant«, wie Alfred Kerr feststellt, der bei der
Berliner Soiree zum Thema »Warum haben wir kein Geld?« im Parkett
sitzt.28 Schon in der Ankündigung des Vortrags »Der Breitner ist schuld!«
stellt Kuh im Mai 1926 für all jene, die ihm seit Tagen immer dieselbe
Frage ins Ohr zischen: »Sprechen Sie für oder gegen?«, klar: »Stamm-
besucher meiner Vorträge wissen, daß ich grundsätzlich nur gegen spre-
che, getreu jenem Ausspruch eines Redners: ›Ich kenne die Argumente
meines Nachredners nicht, aber ich mißbillige sie.‹ / Diesmal allerdings
betrifft das ›gegen‹ mehr das Auditorium als die Titelperson.«29
Und Kuh hat das seit Beginn seiner Vortragstätigkeit nicht anders
gehalten. Schon bei seinem Debüt, dem »Golem«-Vortrag in Prag, löckt
er wider den Stachel. Der Rezensent der »Bohemia« spricht von »Un-
annehmlichkeiten«, die Kuh seinem Prager Publikum zu sagen gewagt
hat, »wenn es nämlich eine Unannehmlichkeit ist, über sein eigenstes
Wesen von einem Fremden aufgeklärt zu werden«.30 Der anonyme
Rezensent der zionistischen »Selbstwehr« wird etwas konkreter, wenn
er referiert, daß Kuh auch auf »das jüdische Prag zu sprechen« gekom-
men sei, »dessen Wesen er in einer Inzucht der Rasse und der Tradition
sieht und dem er einseitigen Intellektualismus und Mangel an Erotik«
vorwerfe.31
Erst recht gilt Kuhs oppositionelles Verhältnis zum Publikum in
politicis. Ende November 1932 tritt er mit seinem Vortrag »Was würde
Goethe dazu sagen?« in Aussig, auf sudetendeutschem Boden, auf.
Unbekümmert um die erwartbar feindselige Stimmung im Saal der dor-
tigen Stadtbücherei zieht er am Ende des Goethejahrs nicht nur gegen
den deutschen »Geistespapst«, sondern, vehementer noch, auch gegen
dumpfen Nationalismus deutscher Prägung vom Leder – und erntet
derart lebhaften Beifall, daß der Rezensent des »Aussiger Tagblatts«
verdutzt von »einer Art zweite[m] Wunder von Kanaan« spricht.32
Üblicherweise braucht Kuh sein Publikum nicht erst während des
Vortrags zu gewinnen. Heimito Doderer beschreibt die gespannte Un-
ruhe, die sich in Wien breit macht, als ruchbar wird, daß Kuh nach vier-
zehnmonatiger Pause im März 1930 wieder einmal in der Stadt auftritt
–
und die Erwartung der Glücklichen, die eine Karte für den Vortrag im
Theater in der Josefstadt ergattern hatten können: »Drinnen herrschte
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien