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Anton Kuh - Biographie
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55 deren einzigartiger Wirkung man sich unmöglich entziehen könne: »Eine Exhibition geistig-artistischer Grazie!«62 Wie eine Nachbetrachtung seiner ersten Vorträge wirken Kuhs Ein- lassungen über den Bauchredner, den er als »einzigen würdevollen, sou- veränen Beruf auf Erden« bezeichnet, dessen Kunst der Inbegriff einer absoluten Leistung sei.63 Der Bauchredner, der einen »Ersatzmann ins Treffen des Daseins« führe, den redenden Bauch nämlich, sei von keiner Weltanschauung und Zeitströmung abhängig, von keinem Milieu und Publikum und brauche dem Zuhörer keine Konzessionen, geschweige denn sich mit diesem gemein zu machen. Er bleibe stets Souverän und damit bei sich, gehöre sich selbst. Im Gegensatz zum Zirkusclown, des- sen Narrentum sein Schicksal, nicht sein Beruf sei und der sich hinter Gipsnase und Gummibauch verausgabe, sodaß ihm nach dem »Rausch des Selbstbewußtseins« in der Manege nichts bleibe als das »Sodbrennen im Artisten-Café«. Von der Zuhörerseite her siedelt er das Stegreif-Spektakel auch in der Artisten-Arena an: als Equilibristen-Nummer. Sie versetzt den Zu- schauer in die hoffnungsvolle Bangnis, »jetzt und jetzt werde das straff gespannte Seil der Rhetorik reißen und der hocherhabene Sprecher in die Manege plumpsen.«64 »Nichts Odioseres als Wortreiter, die nie aus dem Sattel fliegen!«, bringt Kuh die Erwartung des zahlenden Publi- kums auf den Punkt. »Nicht ohne Selbstironie« lautet die redaktionelle Fußnote des »Berliner Börsen-Couriers« zu diesem Aperçu.65 Franz Blei mutmaßt, daß die Muse des Stegreif-Redners höchst bissige Zähne habe: Kuh werde vor der Rede acht Stunden »mit aufs äusserste erregten Nerven seines Hirns im Bett liegen und acht Stunden nachher mit aufs äusserste erschöpften Nerven«. Der bestätigt diese Vermutung in seinen »Bekenntnissen eines Improvisators«, in denen er sich ins Blatt schauen läßt, von dem er eben nicht abliest: Stegreif-Sprecher bezahlen den »Genuß der Glutdurchflossenheit und des Sekundentriumphs« mit dem darauf folgenden »Katzenjammer. Sie fallen nämlich aus dem Schall ins Nichts. Die anderen sind befruchtet  – sie entleert.«66 Was zeichnet dieses »arithmetische Mittel aus Nietzsche und einem Bauchredner«67, als das Kuh den Stegreif-Artisten bezeichnet, aus: Das seien Menschen, »bei denen die Filmspule der Phantasie mit so rasender Geschwindigkeit läuft, daß, was ihr im Augenblick zufliegt, eine Sekunde später gesprochen oder gedacht, schon nicht mehr wahr ist.«68 Das Reden sei »ein Wettgalopp zwischen Bild und Wort. Wenn dieses der Phantasie hoffnungslos nachjagt und um eine Nasenlänge geschla- gen bleibt  – dann hat der Redner gesiegt. Wenn es ihr voranläuft, hat er verspielt.«69
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Anton Kuh Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Anton Kuh
Subtitle
Biographie
Author
Walter Schübler
Publisher
Wallstein Verlag
Location
Göttingen
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8353-3189-1
Size
13.8 x 22.2 cm
Pages
576
Category
Biographien
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