Page - 63 - in Anton Kuh - Biographie
Image of the Page - 63 -
Text of the Page - 63 -
63
Großindustrielle Baron M., die Fabrikantengattin Marie v. G.« diskret
chiffriertÂ
–, die nach Verlassen der Konzert- und Luxuscafés, Kondito-
reien und Bars stracks aufs nächste Polizeikommissariat eilen, um die
exorbitanten Preise jener Schwarzmarkt-Viktualien anzuzeigen, in deren
Luxus sie eben noch geschwelgt haben.106 Er verhöhnt im Oktober 1917
in einem offenen Brief den Münchner »Simplicissimus«, weil dieser, einst
Hort des »anderen« Deutschland, eingeschwenkt ist und nun »Für
Gott, Kaiser und Reich!« auf sein Panier geschrieben hat und er »den
bissigen Bulldog in einen braven Schäferhund verwandelt findet«.107 Er
läßt sich im Dezember 1917 maliziös über die von Statthalterei und
Ministerium des Inneren nicht bloĂź geduldete, sondern offenbar wohl-
wollend begrüßte »Operettenvertrottlung Wiens« aus.108 Er poltert im
Juli 1918 gegen die patriotischen Tugend- und Moralwächter, denen
Frauen als Arbeiterinnen in Munitionsfabriken und als Lazarettschwe-
stern, »eventuell noch: Gretchen in der Gartenlaube, Blumenstickerin
der Geschlechtslust« zwar recht sind, die ihnen aber Wahlrecht und
Hochschulzugang verweigern.109
Und er eckt an. Etwa mit seiner ätzenden Glosse über die Ankündi-
gung des vom Verband deutscher HochschĂĽler Wiens veranstalteten
Vortrags über »Bühne und Leben« von Burgtheaterdirektor Max von
MillenkovichÂ
– unter dem Pseudonym Max Morold seit 1898 Beiträger
zur deutschnationalen, antisemitischen »Ostdeutschen Rundschau« –,
die den Zusatz trägt: »Deutsch-arische Gäste willkommen!«: »Der k. k.
Hofburgtheaterdilettant, der zu den kräftigsten Bejahern der neuöster-
reichischen Vereinspoesie, zu den unentwegtesten Schildträgern der
Souterrainlokalkunst zählt, hat schon im vorigen Jahr sein deutsch-
ar’sches Programm entwickelt. Seither hat er keinen Anlaß versäumt,
über die Fauna der deutsch-ar’schen Dichtung und die Flora des ost-
märkischen Untalents Vorträge zu haltenÂ
– wohl aber den: ein Burgthea-
terdirektor zu sein. Deutsch-ar’sch war alles, was er bisher tat, so mögen
denn auch seine deutsch-ar’schen Gäste willkommen sein! Sie wären ja
auch im Burgtheater willkommen, wenn sie mehr als zwei Reihen fĂĽllten.
So aber sind sie ihm herzlich unwillkommen. […] Die hundertdreißig
stud. jud. Thusneldens zuzĂĽglich der zweihundertelf Romuald-Wozel-
kas und Gunther-Schebestas können mit ihrem Laube unter sich sein.
Wie er den Saal verläßt, ist er wiederÂ
– der Max von Millenkovich.«110
Nicht nur die »Muskete« springt dem »deutsch-ar’schen« Burgthea-
ter-Direktor bei,111 die christlichsoziale »Reichspost« nimmt eine Zu-
schrift »aus deutschen Hochschülerkreisen« über jene »armseligen
Schreiberseelen«, die »in den gewissen, zwar mit deutschen Lettern,
aber darum durchaus noch nicht deutsch geschriebenen Blättern« un-
back to the
book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter SchĂĽbler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien