Page - 75 - in Anton Kuh - Biographie
Image of the Page - 75 -
Text of the Page - 75 -
75
die Autoren von der äußersten Linken bis zur bürgerlichen Mitte ein
Forum bietet, in dem ein ungebetener Mitarbeiter unablässig am laute-
sten seine Stimme erhebt – und Schweigen gebietet: die Zensur. Nicht
bloß einzelne Stellen, ganze Spalten, ja halbe Seiten des »Frieden« sind
»geweißt«146. Auch einer der zehn Beiträge Anton Kuhs, »Pogrom«147,
kann nur verstümmelt erscheinen. Was stehenbleibt, ist immer noch
brisant genug und der Moral der kämpfenden Truppe dermaßen abträg-
lich, daß die Feldpost es nicht mehr befördert; die Hefte kommen mit
dem Vermerk »unzulässig« zurück.148
Eineinhalb Jahre hindurch wird kontrovers und
– vorbehaltlich Ein-
griffen der Zensur – offen über die zukünftige Gestalt des Staates de-
battiert; Einigkeit besteht nur in einem: in der Ablehnung des Status
quo, der siechen Habsburgermonarchie. Und in der Frontstellung gegen
jene, die die Trommel rühren für die Waffenbrüderschaft mit dem Deut-
schen Reich und unablässig und wider jegliche Einsicht ein »deutsch-
zentralistisches Großösterreich« propagieren.
Alfred Polgar, verantwortlich für den literarischen Teil der Zeitschrift,
skizziert die Blattlinie der »Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft
und Literatur«, deren erste Nummer am 26. Januar 1918 erscheint149, ex
negativo, indem er die »Nichtmitarbeiter« aufzählt: die »sogenannten
›Jungwiener‹« (»eine Gruppe von eisgrauen Herren«, die ihre Blütezeit
»unter der milden Regierung Hermann Bahrs« hatte), die »Librettisten«
(»Sie haben den Krieg gut überdauert und ihre Werke sind, seit dem
Verschwinden der Mehlspeisen, gewissermaßen die letzten Inseln der
spezifisch wienerischen Kultur, die noch aus dem alles verschwemmen-
den Blut- und Kotmeer aufragen«), die »Feuilletonisten« (»Heute laufen
die Ereignisse so rasch, daß ihnen die nachdenkliche Betrachtung nicht
zu folgen vermag«). Zuallererst müsse eine gute Zeitschrift eine »Zeit-
Schrift« sein, »eine Art Uhr, die die politische, soziale, literarische
Stunde schlägt«. Eine Zeitschrift auch, die auf die »wienerische Note«
werde verzichten müssen.150
Und mit ebendieser gern als Wiener Note bezeichneten Spielart des
Feuilletons, dem heiteren Geplauder, hat Kuh so gar nichts am Hut. In
Tonlage und Gestus sind seine anspielungs- und bilderreichen Texte das
genaue Gegenteil der Wiener Feuilleton-Feinsäuselei. Seine Porträts,
Skizzen und Geschichten, Besprechungen, Würdigungen und Glossen
erschöpfen sich nicht in impressionistischem Pointillismus, sondern
geben die Eindrücke eines hellwachen Zeitgenossen wieder. Sie sind
scharf konturierte Beobachtungen, die in programmatisch subjektiver
Pointierung einen gesellschaftlichen Tatbestand erhellen, ein Schlag-
licht werfen auf soziale Mißstände, konzentrierte Miniaturen, die mit
back to the
book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien