Page - 93 - in Anton Kuh - Biographie
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torialität der Diaspora in eine kosmopolitische Mission, war Felix
Weltsch allerdings zu vage, auch »allzu nah bei jener eben abgelehnten
Humanitäts- und Menschheitsidee«, zu nah also bei den von Kuh
als letztlich fatal empfundenen »falsche[n] Anwaltschaften«.55 Weltsch
resümierend: »Wie immer war der Vortrag Kuhs blendend, aufreizend,
voll genial-unartiger Formulierungen, rhetorisch und schauspielerisch
glänzend. Das Publikum trachtete mit dem Gebotenen auf seine Art
fertig zu werden und suchte, durch den Vortrag angeregt, nach geist-
vollen Auswegen, um den jüdischen Nationalismus Kuhs nicht allzu
ernst nehmen zu müssen. Uns aber war es ein Vergnügen, daß gerade
dieses Publikum – zu einem großen Teile wenigstens – einmal der
Sensation etwas hineingefallen war und gewisse gute Wahrheiten auch
von einem Mann zu hören bekam, der gerade in Mode ist, was natürlich
weder ein Vorwurf gegen Anton Kuh ist noch ein Hindernis, anzu-
erkennen, daß der Vortrag wirklich gut war.«56
Am 7. Januar 1920 ist Kuh im Saal des mondänen Kurhauses »Kaiser-
bad« in Teplitz-Schönau / Teplice-Šanov zu Gast und wirft dabei nicht
nur das »scheußliche Monstrum von Josefsdenkmal aus Metzners Mei-
sterhand« rhetorisch um,57 sondern auch alle Vorstellungen über den
Haufen, die der mit dem Kürzel »J.« unterzeichnende Mitarbeiter des
»Teplitz-Schönauer Anzeigers« zum Thema »Gastrecht« hegt:
»Der erste Teil hatte noch Idee, geistreichelnden Witz und
vielleicht Aufbau. Was [Kuh] aber im Abschluß sich leistete,
übersteigt alle Grenzen, mindestens der Höflichkeit gegen die
gastliche Stadt und ihr Volk. Es waren an der Hand von sich
wiederholenden Gemeinplätzen über die von unseren Feinden an den
Haaren herbeigezogenen Verunglimpfungen des deutschen Volkes im
Punkte Eitelkeit und Unaufrichtigkeit gegen sich selbst kühne Angriffe
auf unsern Charakter, Geschmack, völkische Eigenart u. a. Als Ästhet
nahm er Metzners Kunst und unser Josefdenkmal58 im besonderen als
Grundlage seiner Ausführungen. Er erläuterte an ihm die großdeutsche
Idee, karikierte das Karyatidenwesen des Vasallentums, das sich zur
Dünkelhaftigkeitspyramide der Idee Wilhelm zuspitzte usw. Er koket-
tierte mit den Volksfeinden, nannte Deutsche und Juden in vielen Punk-
ten gleiche Völker, bespöttelte Schillers Ideale, zog ihm Theatraliker
des Alltags vor, zerrte unser Selbstbewußtsein in den Kot und nannte
die jetzige Zeit ausgleichende Gerechtigkeit. Wir belassen ihm seine
politischen Phantome, aber verbitten uns seinen Ton, althergebrachte
Kulturwerte, die fremde Völker bestaunen, zu beschimpfen.« Was ihn
zumal erbost: »Und niemand rührte sich und erhob ein Veto und als
Abschluß erntet dieser Charlatan der Phrase, mit deren Leichtathletik
Teplitz-Schönau /
Teplice-Šanov,
Kaiserbad-Veranda,
7.1.1920, 20 Uhr:
Sexualrevolution
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien