Page - 113 - in Anton Kuh - Biographie
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hof des Café Central, als ein zirka dreißigjähriger Mann mit blonder
Mähne aufgebracht an seinen Tisch tritt und ihn anfliegt, ob er den
»Artikel gegen Karl Kraus« geschrieben habe. Kuh will von dem un-
gebetenen Gast wissen, warum ihn das interessiere. Der wird immer
lauter und schreit Kuh an, ob er den Mut habe, sich zu diesem Artikel
zu bekennen. Großes Aufsehen im »Central«, als der Fremde auf Anton
Kuh eindringt und ihn neuerlich anschreit: »Getrauen Sie sich zu sagen,
daß der Artikel von Ihnen ist?« Bedienstete werfen sich dazwischen
und drängen den um sich Schlagenden aus dem Kaffeehaus, der laut
schreit: »Schämen Sie sich, jemandem ein körperliches Gebrechen vor-
zuwerfen.«3
Die »Arbeiter-Zeitung« räumt einem Franz Staude den Platz ein, zu
erklären, warum er Kuh gestellt hat. Er hatte in der Passage »Ein Ge-
schlecht hochschultriger, kopfgesenkter, augenrollender GrĂĽnlinge kam
aus [Kraus’] Schule, das am Weibeskörper seine geistige Notdurft ver-
richtete und die Wurstsätze aus dem Mund hängen ließ, als stickte es an
der eigenen Nabelschnur. Bucklige hielten, vor [Kraus’] Hütte an der
Kette liegend, Bedeutungswacht, schnappten mit den Augen nach jedem
Fußgänger, der nicht fromme Einkehr halten wollte« eine »häßliche
Anspielung« auf Leopold Liegler, einen Kraus-Adlatus, gesehen.4 Kuhs
Riposte: »›Der Morgen‹ hat (unter selbstgewähltem Titel) eine Karl
Kraus betreffende Stelle meines Buches veröffentlicht und pünktlich
steigt auch schon der bekannte Qualm von Hysterie und Gekeif auf, dem
keiner diesem Rayon sich Nähernde entraten kann. Bekanntlich hatte
sich der Inhalt jenes Auszuges solenn bestätigt: in der Früh war von der
Hysterisierung der Jugend die Rede – am Nachmittag ging mich mit
flackernden Augen und dem Ruf ›Judenbankert!‹ ein Jüngling an. Die
›Arbeiter-Zeitung‹ des nächsten Tages – ihr Chef ist Primus in der
Krausklasse, also rasch zur HandÂ
– gab mir die Aufklärung: ich hätte auf
jemandes ›Gebrechen angespielt‹. Habe ich das wirklich? Dann gratu-
liere ich mir zu meiner Divination. Aber ich frage mich anderseits, ob ein
von mir gebrauchtes Sprachbild auf anderem Weg als ›Anspielung‹ ge-
deutet werden konnte, als weil den JĂĽngern die hysterische Anspielungs-
horcherei beigebracht, ihr Aug’ und Ohr auf die Neugier dressiert wurde:
was meint er? – wen meint er? – auf wen geht’s? Ich kenne Herrn
Liegler und seine sämtlichen Werke […]Â
– nicht. Die Bemerkung, die ich
über die Torwächter der Krausschen Bedeutung machte, war aus dem
Wiener Tagblatts« (Jg. 55, Nr. 31, 1.2.1921, S. 6) hat der junge Mann, der
Kuh attackierte, noch »eine Waffe verborgen« gehalten – so viel zum
Thema »Stille Post« resp. »Befehl weitersagen«.
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter SchĂĽbler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien