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allen historisch-humanistischen Salben geschmierter Würdenbold‹.
Genug, genug! Wir wollten ja nur beweisen, daß richtig ist, was wir
eingangs dieser Zeilen behauptet haben, und der Jude Kuh hat uns an
der Hand des Baruch den Beweis geliefert. – Und jetzt schreien wir in
alle Welt
– und alle Welt kennt unseren Goethe
– die Frage hinaus: Tut
der Deutsche wirklich unrecht, wenn er sich gegen die Juden stellt, ist
der Antisemitismus als Empörung gegen jüdische Wirtschafts- und
Geistesknechtung berechtigt oder nicht?«1
»Sprengstoff« nennt Franz Blei2 die Auswahl aus Ludwig Börnes
Schriften, die Anton Kuh 1922 im Verlag der Wiener Graphischen
Werkstätte herausgibt, »stachlig« nennt sie Hermann Wendel3 ebenso
treffend: Wie von der Tarantel gestochen, weiß sich die nationalsozia-
listische »Deutschösterreichische Tages-Zeitung« (kurz »Dötz«) der
Zumutung nicht anders zu erwehren, als sich in paranoidem Antisemitis-
mus zu ergehen.
Unter den Kapitelüberschriften »Der Typus«, »Die Deutschen«, »Der
Judenpunkt«, »Politik und Volk«, »Goethe« und »Literatur« stellt Kuh
auf 265 Seiten Texte und Exzerpte aus den »Briefen aus Paris«, den
»Kritiken«, den »Vermischten Aufsätzen« und den »Fragmenten und
Aphorismen« aus der dreibändigen Ausgabe »Ludwig Börne’s gesam-
melte Schriften«, Stuttgart o. J. (Reclam), zusammen – und wird mit
seiner Auswahl der in der »Nachbemerkung« formulierten Program-
matik gerecht: »Dem Herausgeber lag daran, aus zweitausend, durch
ihre Stoffbedingtheit oft schon verwelkten Seiten einen Extrakt zu
ziehen, der eine Literaturlegende Lügen straft und des Autors zeit-
genössisches Anrecht – vielmehr: Vorrecht – nachweist. Es kam also
vorwiegend jener Teil Börnes in Betracht, der noch tagbezüglich fort-
lebt.«
Mit seinem fünfundzwanzigseitigen einleitenden Essay, einer leiden-
schaftlichen Würdigung des begnadeten Polemikers
– nur daß er »aus der
Dachstube ›Baruch‹ in die Zehnzimmerwohnung ›Börne‹ übersiedelte«,
kann sein Herausgeber nicht verwinden4
–, erweckt Kuh den als »Klas-
siker« mit Goldschnitt-Gesamtausgabe in den Katakomben der Lite-
raturgeschichte Modernden zu sprühendem Leben: »Der Datums-
beschränkte um hundert Jahre voraus!« Klarer und lapidarer noch als
ein Heinrich Mann und ein Maximilian Harden habe Börne die deut-
schen Verhältnisse auf den Punkt gebracht – die aktuellen: »Jeder Satz
könnte das Erlebnis von 1921 zur Voraussetzung haben, an jedem Wort
klebt das Blut der Zeiterfahrung. Anlaß und Sinn sind oft so über-
raschend gegenwartsgleich, als sei eine Chronik im Übersatz geblieben,
ohne ihren Tag zu verpassen.«
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien