Page - 304 - in Anton Kuh - Biographie
Image of the Page - 304 -
Text of the Page - 304 -
304
tums« dabei: die »geistige Verwandlung des Deutschtums« und: »Die
österreichische Sendung ist es, Strasse und Festung nach Südosten zu
sein«, so daß »eben Deutschland, ganz Deutschland von Österreich in
dem ihm gemässen und natürlichen Raum hinaus wirkt«.66
Im Editorial des »Prager Tagblatts« vom 3. Juni 1933
– es enthält eine
vierzehnseitige Österreich-Tourismus-Sonderbeilage, eine Werbeoffen-
sive vor dem Hintergrund des Frickschen 1000-Mark-Erlasses67
– steht
zur »regionalen Eigenart des Österreichertums« zu lesen: »Im Wesen
geht es um die Behauptung einer Art von Deutschtum, die von dem
jetzt im Reich herrschenden verschieden, aber darum doch nicht weniger
deutsch ist; eines Deutschtums von konservativem Charakter, milderer
Prägung, das leben will, aber auch andere, die nicht auf die gleiche
Parteifahne schwören, leben läßt. Kein Zweifel, daß viele Millionen im
Reich, die nicht dem uneingeschränkt herrschenden Lager angehören
und darum als Staatsbürger minderen Rechts Zurücksetzung und Ver-
folgung erleiden, heute gern einen Anschluß in umgekehrter Richtung
vollziehen möchten: an den kleineren südlichen deutschen Staat, der
deutsche Überlieferungen wahrt, die in vielem echter sind als die rauhen
Theoreme von Stärke und Rasse, die jetzt jenseits von Passau verkündet
werden.«68
Der Untertitel von Oskar A. H. Schmitz’ »Österreichischem Men-
schen«, der da lautet »Zum Anschauungsunterricht für Europäer, ins-
besondere für Reichsdeutsche«, bezeichnet die Stoßrichtung der öster-
reichischen Identitätsfindung. Österreich sei »die einzige deutsche
Landschaft, die so etwas wie eine Kultur hervorgebracht« habe, wäh-
rend beim Deutschen »weite Seelenbezirke oft barbarisch bleiben«,
so – der Deutsche – Schmitz.69 In Österreich habe »sich deutsches
Wesen schlackenloser, unverzerrter zu Kultur gestaltet«.
Kurz gesagt: Der Österreicher sei der bessere Deutsche, am öster-
reichischen Wesen – das klingt auch bei Schreyvogl an – soll die deut-
sche Nation genesen.
Die Erfolgsaussichten einer zivilisierenden Wirkung von sechsein-
halb Millionen katholischer, friedliebender Österreicher auf den »über-
kantigen norddeutsch-preußischen Charakter«70 werden einmal weni-
ger, einmal durchaus ernst genommen. Fritz Wittels’ Antwort auf die
von der »Bühne« 1926 veranstaltete Rundfrage »Gefällt es Ihnen noch
in Wien?«: »Ich fürchte nicht einmal den Anschluß an Deutschland.
Wir werden ganz Germanien mit unserer Schlamperei überziehen,
wenn man wirklich riskieren sollte, uns anzuschließen.«71 Hellsichtiger
Wal
ther Rode, der im Mai 1925 auf eine dieser beliebten Zeitungs-
enqueten, mit denen »hervorragende Persönlichkeiten des öffentlichen
back to the
book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien