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ganz anders abgespielt« habe: »die Gesellschaft, die in dem abgesonder-
ten Raum sass, vernahm den freilich an und für sich unziemlichen Ruf
›ein Bier für den Herrn Kraus!‹, worauf der etwas angeheiterte Rufer
von seiner Umgebung beruhigt worden sein soll. Der Witz mit ›Kno-
bel-Penez‹ ist offenbar nachträglich erfunden worden, um das Erlebnis
für den Autor interessanter zu machen.«
Durch vier Stellen des Artikels sei der Privatankläger dem öffent-
lichen Spott ausgesetzt worden: »›Herr Ober
– einen Knobel-Penez für
Herrn Kraus!‹ (Ein Knobel-Penez, ein mit Gänsefett und Knoblauch
bestrichenes geröstetes Brot, ist eine bei österreichischen Ethikern be-
liebte rituelle Speise.)«; »ich bestellte, ohne mich mit den Jüngern in
einen Disput einzulassen, die für den Meister bestellte Knoblauch-Speise
ab«; »Ich bedaure den Vorfall also, weil ich Herrn Karl Kraus viel zu
gering schätze, als daß ich ihn je persönlich beleidigen würde«; »Wenn
mich etwas dabei tröstet, so ist es […] der Umstand, daß ich dem
meistgeohrfeigten Ethiker der Gegenwart nicht die Gelegenheit gab,
ausnahmsweise seinen Gegner attackiert zu sehen.«
Im Namen der Republik ergeht am 9. März 1932 folgendes Urteil:
Hans Tabarelli als verantwortlicher Schriftleiter wird wegen der Ver-
öffentlichung der inkriminierten Stellen (die den Tatbestand der »Über-
tretung gegen die Sicherheit der Ehre nach § 491 StG.« erfüllen) der
»Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht (§ 30 Pr. G.)« schuldig erkannt
und zu einer Geldstrafe von 200 Schilling verurteilt sowie zur Veröffent-
lichung des Urteils im »Neuen Wiener Journal«.
Entscheidungsgründe: »In diesen Stellen wird der Privatankläger
durch den geringschätzigen Hinweis auf seine Konfession […], ferner
durch die Ausführung, dass man ihn so gering schätzt, dass man ihn
nicht einmal für würdig findet, sich auch nur in Form einer Beleidigung
mit ihm zu befassen […], ferner durch den Titel und durch den in ver-
spottender Form erfolgten Hinweis auf mehrere tätliche Angriffe, die
seinerzeit auf den Privatankläger verübt wurden, dem öffentlichen Spotte
ausgesetzt beziehungsweise verächtlicher Eigenschaften geziehen. […]
Da ein Wahrheitsbeweis nicht einmal angeboten wurde, soweit öffent-
liche Verspottungen vorliegen, auch gar nicht zulässig wäre, war mit
einem Schuldspruch vorzugehen.«5
Die verworrene Urteilsbegründung des Wiener Landesgerichts für
Strafsachen einmal beiseite gesetzt: Juristische »Wahrsprüche« – wie
zweifelhaft auch immer – sind zu haben, biographische »Wahrheiten«
schwerlich.
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien