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358 1932 – 1933
Ob Anton Kuh mit seinen Vorträgen zum Thema »Warum haben wir
kein Geld?« noch aus dem Dalles Kapital geschlagen hat, bleibe dahin-
gestellt. Kapital schlagen können hätte jedenfalls Reichsfinanzminister
Hermann Dietrich aus Kuhs Anregung zum dräuenden Goethe-Jahr:
eine Notverordnung, nach der »jede Silbe, die [1932] über Goethe
geredet oder geschrieben wird, von Amts wegen eine Besteuerung
erfährt«.6 Kuhs »Goethe-Steuer«-Obolus hätte allerdings null Reichs-
mark betragen: er spricht im Deutschen Reich nicht über den »Jahres-
regenten«.
Kuh startet seine »Goethe«-Tournee am 13. März 1932 in Wien, ist
jedoch bereits seit 29. Feber in der Stadt, weil ihn die Direktion des
Josefstädter Theaters eingeladen hat, die Rolle des Schriftstellers Dr. Al-
bertus Rhon in der Neueinstudierung von Arthur Schnitzlers »Weitem
Land« zu übernehmen. Ein »vierfacher Telegrammwechsel«, erklärt er
in einem Interview zu Probenbeginn, habe sein Engagement herbei-
geführt: »Das erste Telegramm, das ich erhielt, lautete: ›Drahtet, ob
bereit aufzutreten.‹ Meine Antwort war: ›Aus künstlerischen Gründen
Entscheidung von pekuniärem Anbot abhängig.‹ Darauf kam: ›X Schil-
linge möglich.‹ Ich telegraphierte zurück: ›X Schillinge Prestigeverlust,
für 20 Schilling mehr: Sonnenthal.‹ Und die Sache war perfekt.« Er
betrachte sein Gastspiel, »als eine Wiedergutmachung der Kränkungen
und Respektlosigkeiten, denen Arthur Schnitzler von mir und meiner
Generation oft ausgesetzt war«. Er werde vermutlich seine Anwesenheit
in Wien »mit einem Vortrag verbinden, dessen Thema die deutsche
Präsidentenwahl ist. Berlin, von wo ich komme, ist wieder vollkommen
politisiert. Aber ich liebe die Atmosphäre, die jetzt in Berlin herrscht.
Den Leuten sind wieder grundsätzliche Dinge wichtig, es weht gleich-
sam eine historische Schicksalsluft, die man einatmet.«7
Am 13. März steht Kuh auf der Bühne des Theaters in der Josefstadt,
allerdings nicht im »Weiten Land« – er hat die Rolle zurückgelegt, die
Figur des Dr. Rhon ist ihm auf den Proben zu stark zusammengestrichen
worden8Â
–, sondern über »Goethe und die deutsche Reichspräsidenten-
wahl« stegreifend, deren erster Durchgang an diesem Sonntag stattfin-
det.* Er spricht über den »Halbgott des deutschen Philisters«; über die
* Es kandidieren: Paul von Hindenburg (parteilos), Adolf Hitler (NSDAP),
Ernst Thälmann (KPD), Theodor Duesterberg (Stahlhelm/DNVP), Adolf
Gustav Winter (Inflationsgeschädigte). Im zweiten Wahlgang der Reichs-
präsidentenwahl am 10.4.1932 entfallen auf Paul von Hindenburg (Weimarer
Koalition) 19.359.983 (53,1 Prozent), auf Adolf Hitler (NSDAP) 13.418.517
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter SchĂĽbler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien