Page - 412 - in Anton Kuh - Biographie
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nicht nach Hollywood komme, wo doch so viele seiner früheren »Kun-
den« leben, zu verstehen: »Da passe ich nicht hin. Da sind lauter Ko-
pien. Statt mir haben sie dort Billy Wilder, statt Reinhardt Lubitsch,
statt Molnár Vajda (ein erfolgreicher Drehbuchautor), statt Hofmanns-
thal Walter Reisch. Das einzige Original, das sie haben, ist Chaplin,
und der ist für seine Knickrigkeit bekannt. Warum soll ich also nach
Hollywood gehen?«18
zu 500. Doch war das ›Geschäft‹, auf das er sich mit mir ›einließ‹, in Wahr-
heit ein Gelegenheitskauf für mich, nirgend anderswo für ein Dreifaches zu
erstehen. Eine Kaskade freier Rede in perfekter Grammatik voll tiefgrün-
digen Inhalts mit haarsträubend witzigen Formulierungen ergoß sich über
einen. Man war durchtränkt, erfrischt und erschöpft. Kein Klischee, nichts
Überflüssiges oder Überschüssiges, nur Interessantes, Provozierendes,
Apartes rollte von seiner rapiden Zunge. Wenn es ihn nach neuer Munition
verlangte und er sich einschenkte, unterbrach er seine Expertisen, seine
Kritiken, seine Aphorismen, seine Parodien, seine mannigfaltigen Kriegs-
und raren Liebeserklärungen, indem er, abrupt aus der Rolle fallend, gleich-
sam von der Bühne ins Parkett sprang und sich erkundigte: ›Unterhalte ich
Sie? Sind Sie gefesselt? Habe ich mir die fünfhundert Dollar schon verdient
oder erst zwei Drittel? Sicher doch schon über die Hälfte!‹ / Und schon ist
er wieder auf der Bühne und die Kaskade gischt von neuem.«
Sam Behrman, der ein Porträt Anton Kuhs für den »New Yorker« schrei-
ben will
– er würde sich die zweitausend Dollar Honorar mit Kuh teilen
–,
bittet Reinhardt, diesem sein Anliegen nahezubringen. Kuh lehnt ab. Seine
Begründung: »›Ich gehe jedes Wochenende hinüber nach New Jersey zu
dem bekannten Matze-Fabrikanten Mani[s]chewitz. Er ist mir sehr gewo-
gen, aber leider auch der Kammermusik. Mich langweilt Kammermusik
tödlich. Besonders die langsamen Sätze. Doch muß ich sie mir anhören,
denn Herr Mani[s]chewitz rückt sonst nicht mit der Apanage heraus. Nie
weniger als 200 Dollar die Woche! Oft mehr. Je nachdem, wie gut ich in
Form bin. Das ist ein gutes Einkommen, mit dem ich rechnen kann. Jetzt
stellen Sie sich vor, Herrn Mani[s]chewitz, obwohl sicher nicht seine Früh-
stückslektüre, gerät durch Zufall der ›New Yorker‹ in die Hand, und er
kommt mir hinter meine Schliche, erfährt ungeschminkt, aufs Haar, bis aufs
i-Tüpfelchen meine schwer erworbene Technik, den Leuten ihr Geld zu
entlocken. Und da Mr. Behrman sein Metier versteht, würde ich glänzend
wegkommen und [m]eine Opfer stünden gelackmeiert da. Glauben Sie, ich
bekäme in New York noch einen Cent? Nein, lieber Gottfried Reinhardt,
ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Bemühung und Mr. Behrman für
sein generöses Angebot. Aber es zahlt sich für mich à la longue nicht nur
nicht aus, es würde mein ganzes Geschäft ruinieren‹« (Gottfried Reinhardt:
Der Apfel fiel vom Stamm. Anekdoten und andere Wahrheiten aus meinem
Leben. München 1992, S. 382-387).
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien