Page - 25 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Image of the Page - 25 -
Text of the Page - 25 -
Nikolaus Lenau und Anastasius Grün, die jedoch
im Gebäude untergebracht werden sollten, denn
laut Senatsbeschluss sollte der Arkadenhof ja Uni-
versitätsprofessoren vorbehalten sein. Die beiden
im Vormärz für akademische Freiheit eintreten-
den Literaten erhielten ihr Denkmal von Carl
Schwerzek wenige Jahre später als Trabanten des
Schillerdenkmals vor der Akademie der Bilden-
den Künste.47 Aus Ungarn bzw. Slowenien stam-
mend vertraten die beiden Dichter die deutsche
Sprachkultur in der Vielvölkermonarchie und
eigneten sich daher auch als Identifikationsfigu-
ren für die Universität Wien, deren Professoren
vor dem Ersten Weltkrieg vorwiegend aus diesem
Raum stammten. Eine Positionierung an der Uni-
versität wäre zudem ein Bekenntnis zu einer po-
litisch liberalen Haltung gewesen. Der studierte
Jurist Anastasius Grün hatte im Übrigen 1865 das
Ehrendoktorat der Wiener Universität erhalten.
Die mit den Professoren gut vernetzten
Künstler nützten ihre Position in der artistischen
Kommission. In der Sitzung am 30. Juni trugen
Tilgner, Zumbusch und Kundmann ihr Anlie-
gen vor, an einem geeigneten Platz in der Uni-
versität ein Denkmal für den Erbauer Heinrich
von Ferstel anzubringen. Man einigte sich auf
das sog. Atrium, den Vorraum zum Festsaal. Mit
seiner aufwendigen Rahmenarchitektur steht
dieses Büstendenkmal von Tilgner den Profes-
sorenmonumenten keineswegs nach (Abb. 14).
So wie diese zeugt die Präsentation des geadel-
ten Architekten von dem Bemühen der Künst-
ler, den Aufstieg in die sog. Zweite Wiener Ge-
sellschaft erreicht zu haben.
Die Ehre, als Erste ein Denkmal zu erhal-
ten, wurde aber den Juristen zuteil. Wenige Monate nach dem Tod ihres Gatten, des Straf-
rechtlers und liberalen Politikers Julius Glaser,
stellte die Witwe 1886 direkt an den Senat den
Antrag auf Errichtung eines Denkmals, das sie
bei Kaspar von Zumbusch in Auftrag gab und
selbst finanzierte (Abb. 11).48 Für die Verwirkli-
chung des Projekts war sicher nicht ungünstig,
dass der Strafrechtler Emil Wahlberg Vorsitzen-
der der Artistischen Kommission war. Im No-
vember 1887 wurde das Denkmal bereits in der
Abb. 14: Viktor Tilgner, Julian Niedzielski u.a., Denkmal
für Heinrich v. Ferstel, 1885, Universität Wien, Atrium vor
dem kleinen Festsaal.
Der ArkADenhof im hAuptgebäuDe Der universität Wien 25
47 Es wäre zu untersuchen, ob ein Zusammenhang mit den Hermendenkmälern am Schillerplatz besteht. Schwerzek
(Schwerczek) hat einige Arbeiten für den Universitätsbau ausgeführt, u.a. 1885 die Statue Rudolph IV. im Festsaal,
möglicherweise hätte er auch die Büsten von Lenau und Anastasius Grün meißeln sollen. Die klassizistischen Her-
men sind den Kundmannbüsten von Exner und Bonitz (1893) auffallend ähnlich.
48 Wilhelmine Glaser sorgte für den Nachruhm ihres Gatten auch dadurch, dass sie posthum seine Erhebung in den
erblichen Freiherrenstand erreichte. Im Jahr der Denkmalenthüllung gab sie die Schriften ihres Mannes heraus: W.
v. Glaser (von der Hand der treuen Gattin): Julius Glaser. Bibliographisches Verzeichniß seiner Werke, Abhandlungen,
Gesetzentwürfe und Reden. (Vorr.: Josef Unger), Wien 1888.
back to the
book Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken