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und erst 1919 an der juridischen Fakultät.68 Ein
Gegner des Frauenstudiums war unter anderem
der in seinem Fach höchst erfolgreiche Chirurg
Eduard Albert, der einzig Männern die Fähig-
keit kultureller Leistung zubilligte. Auf seinem
Denkmal (1909) doziert er vor rein männlicher
Zuhörerschaft, während eine Patientin als Ge-
genstand wissenschaftlicher Erörterung auf ei-
ner Bahre ruht (Arthur Kaan 1909) (Abb. 20).
Der Druck der Frauenbewegungen war stark, die
Gattinnen der honorigen Herren waren vielfach
in Frauenvereinen tätig, ihre Töchter strebten an die Universität. Juristen wie Edmund Bernatzik
und der Historiker Theodor Sickel unterstützten
die freie Berufswahl als im Staatsgrundgesetz von
1867 verankertes Recht.
Die erste und einzige erfolgreiche Initiative
für die Ehrung einer Frau ging von dem Ger-
manistikprofessor Anton Bettelheim aus, der en-
ge Kontakte zum Bund österreichischer Frauen-
vereine pflegte. Er beantragte 1900 anlässlich des
70. Geburtstages der anerkannten österreichi-
schen Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach
die Verleihung des Ehrendoktorats, obwohl die-
se nie an einer Universität studieren konnte und
wohl auch nie danach gestrebt hatte. Die gebo-
rene Gräfin Dubsky hatte in Mähren eine adelige
Erziehung genossen, verkehrte später in Wien als
gebildete Frau in der großbürgerlichen Gelehr-
tengesellschaft mit den Familien Exner, Billroth,
Fleischl-Marxow und Bettelheim.
Der Verfechter der österreichischen Literatur
trug auch publizistisch zum Ruhm der Schrift-
stellerin bei, indem er zwei Biografien der Dich-
terin verfasste und darin ihre bisherigen Ehrun-
gen dokumentierte.69 Zehn Jahre nach ihrem
Tod beantragte Bettelheim im Juni 1923, die An-
bringung eines Denkzeichens in der Universität,
um auf die 1900 erstmalig erfolgte Verleihung
des Ehrendoktorats an eine Frau zu erinnern
(Abb. 21).70 Das Denkmal beinhaltet als einziges
Epitaph keine Porträtdarstellung. Die Inschrift
nennt Namen, Herkunft und ihre Auszeichnung
als Ehrendoktorin der Universität Wien. Ironi-
scherweise war es das Denkmal des dem Frau-
enstudium einst kritisch gegenüberstehenden
Eduard Albert, das der neuen Gedenktafel wei-
chen und an andere Stelle versetzt werden sollte.
Abb. 20: Arthur Kaan, Denkmal für den Mediziner Prof.
Eduard Albert, 1909, Bronze, Arkadenhof der Universität
Wien. ingeborg
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68 W. Heindl/M. Tichy, „Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück …“. Frauen an der Universität Wien (ab 1897),
Schriften des Universitätsarchivs, Universität Wien, 5, Wien 1990.
69 Marie von Ebner-Eschenbach (* 13. 09. 1830, auf Schloss Zdislavice, Tschechien, † 12. 3. 1916, Wien), geboren als
Marie Freiin Dubsky, war eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Die
Gedenktafel für Marie von Ebner Eschenbach befindet sich an der Innenseite eines Pfeilers im rechten Arkaden-
gang. Die hochrechteckige Tafel besteht aus gelblichem Osliper Sandstein. https://monuments.univie.ac.at/index.
php?title=Denkmal_Marie_von_Ebner-Eschenbach, abgerufen am 2. August 2015.
70 UAW, Senat S 93.22.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken