Page - 34 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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die Physikerin Laura Bassi geprägt († 1778), in
Pavia erhielt Maria Pellegrina Amoretti 1956 an-
lässlich ihres 200. Geburtstages eine Gedenktafel im Cortile di Volta der Universität. Sie war 1777
die erste promovierte Juristin in Italien.
Resümee
Ruhmeshalle, Geschichtsgalerie, Campo Santo
– das bedeutet Ehren, Lernen, Gedenken. Al-
le diese Aspekte sollten die Denkmäler im Ar-
kadenhof der Universität Wien der Nachwelt
vermitteln. Wie an einigen Beispielen gezeigt
werden konnte, hatte diese Form der Memori-
alkultur einen hohen Stellenwert im Universi-
tätsleben. Es lag im Interesse der Initiatoren, die
Denkmäler durch Publikation in der Presse und
als Autorenbildnisse in wissenschaftlichen Pub-
likationen über den elitären Kreis der Universi-
tät hinaus bekannt zu machen (Glaser, Ingen-
Housz).
Deutlich wurde, dass nicht nur Leistung
bestimmte, wer wann in den Olymp erhoben
wurde. Es ist unbestritten, dass mit den hier
genannten Professoren Gelehrte von internati-
onalem Ansehen ausgezeichnet werden sollten.
Aber ist die Auswahl tatsächlich repräsentativ?
Im Wissen um die restriktive Universitätspoli-
tik der Zwischenkriegszeit, das Konkurrenzden-
ken, die ideologisch gesteuerten Besetzungsstra-
tegien, die antisemitischen Diskriminierungen
haben einige bedeutende Gelehrte kein Denk-
mal, die es wohl verdient hätten, wie etwa Gui-
do Adler, der Begründer des musikwissenschaft-
lichen Instituts, oder der Geologe Eduard Suess,
dessen mehrbändiges Werk „Das Antlitz der Er-
de“ (1928) internationale Anerkennung erfuhr.
In der jüngeren Vergangenheit betrifft dies auch
weibliche Professoren. Das Geschichtsbild wird
also erst vollständig, wenn man die Lücken im
Arkadenhof mitberücksichtigt. Dem langjährigen Ausbleiben von Denkmä-
lern für weibliche Gelehrte im Arkadenhof wur-
de im Zuge des 650-jährigen Gründungsjubilä-
ums der Universität entgegengewirkt. 2015 hat
die Universität Wien beschlossen, den Arka-
denhof für neue Denkmäler, speziell für Wis-
senschaftlerinnen, zu öffnen. Ein Wettbewerb
wurde ausgeschrieben. Die mit der Ausführung
betrauten KünstlerInnen experimentieren mit
unterschiedlichen Materialien und Gestaltungs-
möglichkeiten, von Metall, Glas, Fotografie so-
wie von traditioneller Büstenform und Relief bis
zu freskoartiger Verschmelzung des Abbildes mit
der Putzoberfläche der Pfeiler. In allen Fällen ist
die individuelle Erkennbarkeit der Dargestellten
gewährleistet und wird in der formalen Gestal-
tung die fachliche Spezialisierung berücksich-
tigt. Seit ihrer feierlichen Enthüllung am 30. Ju-
ni 2016 erlauben die Denkmäler nun die Frage
des Personendenkmals neu zu diskutieren. Die
Möglichkeit der Fortsetzung ist gegeben.72
Abbildungsnachweis: Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 18, 20, 21: Institut für Kunstgeschichte der Univ.
Wien, K. Pani/A. Plankensteiner/R. Steyer; Abb. 6: I.
Schemper; Abb. 7, 8, 9: Repro aus: Il Cortile di Volta
dell’università di Pavia (hrsg. v. M. T. Savini), Milano
2011, S. 100, 105, 107; Abb. 10: Repro aus: Il cortile dei
medici e degli artisti e il teatro anatomico dell’università
di Pavia (hrsg. v. L. Erba), Pavia 2012, S. 152; Abb. 17:
Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek;
Abb. 19: UAW; Abb. 22: Wien Museum
IngeboRg
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72 Die KünstlerInnen Catrin Bolt, Jessica Richter und Thomas Baumann gewannen die Ausschreibung. Im Umfrage-
verfahren an den Fakultäten waren die Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler, die Physikerinnen Lise Meit-
ner und Bertha Karlik, die Mathematikerin Olga Taussky-Todd, die österreichisch-chilenische Archäologin Grete
Mostny Glaser, die Sozialpsychologin Marie Jahoda und die Romanistin Elise Richter als primär denkmalwürdig
ausgewählt worden. https://monuments.univie.ac.at/, abgerufen am 31. Jänner 2017.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken