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DIE ANFÄNGE DER GELEHRTENEHRUNG
AN DER WIENER UNIVERSITÄT UND DIE BILDNISSE
DES NIKOLAUS VON JACQUIN
Maria Pötzl-Malikova
Im späten 18. Jahrhundert begann eine neue
Ära der Bildnissetzung an der Wiener Uni-
versität. Der entscheidende Schritt dafür war
das Ansuchen des Rektors und des Consisto-
riums der Universität vom 27. September 1778
an die Kaiserin Maria Theresia um die Bewilli-
gung, daß nach Gewohnheit anderer Universitä-
ten, Porträts der um die Universität und Facultät
besonders verdienten Männern in den gewöhnli-
chen Hörsaale aufgehenget werden dürfen.1 Einen
Monat darauf kam die Nachricht über die aller-
höchste Erlaubnis, nach Wunsch der Kaiserin soll-
te es aber lediglich auf Privatkosten der Profes-
soren geschehen. Die erhaltenen Dokumente zu
dieser Entscheidung demonstrieren nicht nur das
neue Selbstwertgefühl des höchsten Bildungsin-
stituts und die Hervorhebung der persönlichen
Verdienste, sondern markieren in Wien zugleich
eine Wende in der Denkmalsetzung, die immer
mehr zum gesellschaftlichen Anliegen wurde. Bis
dahin hatte nur der Herrscher das Recht dazu,
im öffentlichen Raum einer verdienten Persön-
lichkeit durch die Aufstellung ihres Bildnisses sei-
ne „huldvolle Anerkennung“ und den Dank für die geleisteten Dienste auszudrücken. Durch ihre
Entscheidung verzichtete die Kaiserin daher auf
eines ihrer bisherigen herrscherlichen Privilegien.
In der Universität waren vorher Bildnisse
nur im Consistorialsaal üblich, wo sie vor al-
lem eine repräsentative Funktion hatten. Hier
hing das Porträt des jeweiligen Herrschers für
representatio in effigie und barocke ganzfigurige
Bildnisse der Rektoren.2 Außerhalb dieses Rau-
mes gab es nur eine Ausnahme: Im medizini-
schen Hörsaal ließ Maria Theresia 1763 ein Port-
rät des Gerard van Swieten aufhängen, und zwar
für seine Verdienste um die Reorganisation der
Universität im Sinne des aufgeklärten Absolu-
tismus, als höchste staatliche Lehranstalt. Sechs
Jahre danach, 1769, als die Kaiserin der Über-
zeugung war, dass ihr van Swieten bei einer Po-
ckeninfektion das Leben gerettet hatte, ließ sie
an dieser Stelle eine Büste des Mediziners auf-
stellen (Abb. 1).3 Dieses Denkmal war daher in
erster Linie Ausdruck ihres persönlichen Dan-
kes, die Anerkennung der wissenschaftlichen
Leistungen war zweitrangig. Die Art der Aufstel-
lung – eine schlichte schmucklose Nische ohne
1 Siehe die Antwort der Niederösterreichischen Regierung vom 23. Okt. 1778 (Universitätsarchiv Wien, weiter:
UAW), Consistorialarchiv, Fasz. I, Nr. 221 ex 1778 (CA 1.0.232) publiziert in: G. Natter, Icones Rectorum. Werden
und Eigenart der Rektorengalerie an der Universität Wien, Ms. (Phil. Diss. an der Leopold-Franzens-Universität
Innsbruck), Wien/Innsbruck 1988, S. 250–251, Nr. 4.3.1.1.
2 Ebenda, S. 12–21. Vgl. dazu auch: H. Rosenberg, Bilder der Magnifizenz. Zur Rektorengalerie der Wiener Univer-
sität, im vorliegenden Band.
3 Die Büste, ein Werk F. X. Messerschmidts, befindet sich als Dauerleihgabe der Wiener Universität im Belvedere Wien
(Inv. Nr. Lg. 18). Siehe auch M. Pötzl-Malikova, Franz Xaver Messerschmidt. Monographie und Werkverzeichnis,
Belvedere (A. Husslein-Arco (Hg.). Werkverzeichnisse, Bd. 4), Wien 2015, S. 45–47, 237–240, Kat. Nr. 25.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken