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vom kaiser geküsst: „rektorsein“ in wien15
„Nahent pey unserm herczoglichen palas“16 so
formuliert Rudolf IV. im deutschen Stiftungs-
brief vom 12. März 1365 den Wunschort für sei-
ne Stiftung. Die Identifikation der Dynastie mit
ihrer Gründung blieb bestehen und als die Habs-
burger den Kaiserthron besteigen konnten, soll-
te sich dies auch nobilitierend auf das Prestige-
objekt ihrer Vorfahren auswirken: Signifikanten
Ausdruck fand diese Entwicklung nicht zuletzt
1558, als anlässlich der Krönung Kaiser Ferdi-
nand I. ein Rektorenzepter angeschafft wur-
de. Die Spitze zierte die Kaiserkrone und bald
schmückten auch sechs Porträts des Kaiserhau-
ses die Aula der Universität.17 Mehr noch: In der
ersten Geschichte der Wiener Universität (1559)
wird Kaiser Friedrich II. als großes Vorbild ei-
nes Universitätsstifters gepriesen.18 Die von ei-
nem Herzog gestiftete Universität war nun kai-
serlich geworden. Steigende Besucherzahlen mit einem wachsenden Anteil aus dem Reich waren
die Folge. Trotz Hofnähe finden sich erstaunlich
wenige Adelige unter den Inskribenten.19 Nicht
Wien, sondern Ingolstadt oder Dillingen blie-
ben die wichtigsten Universitäten für die katho-
lische Nobilität der habsburgischen Territorien.20
Macht und Ansehen des Rektorenamtes
wuchsen parallel zur Integration des Jesuitenor-
dens. Um die Bildungssituation zu stabilisieren
und im Sinne des Hofes zu konfessionalisieren,
hatte Ferdinand I. schon verhältnismäßig früh
(1551) den Orden in Wien angesiedelt.21 Auf
kaiserliches Geheiß wurde das Kolleg 1623 der
Universität inkorporiert.22 Wenige Jahre spä-
ter wurden die Amtszeiten von Rektor und
Fakultätsdekanen auf ein ganzes Jahr verlän-
gert. 23 Schließlich wurde seit dem ausgehen-
den 17. Jahrhundert üblich, was an anderen
Universitätsorten schon lange gang und gä-
heidrun
rosenberg50
15 Kaiser Karl VI. begrüßt bei seinem ersten öffentlichen Auftritt Rektor von Schlittern mit Handkuss. Siehe The-
atrum Europaei 19ter Theil. Ausführlich fortgeführte Friedens- und Kriegs-Beschreibung, … Frankfurt 1723, S.
157/158, 1712.
16 Universität Wien Stiftungsbrief 1365 (Ausgabe Csendes): Transkription Speer 2014, Abschnitt [1.] http://repertori-
um.at/qu/1365_wienuniversitaet.html, Abruf 12.05.2015. Bekanntlich ist diese örtliche Zuweisung Wunschdenken
geblieben.
17 J. Amann-Bubenik, Merkur besucht die Universität Wien. Zur Dichterkrönung des Petrus Paganus in: , Neula-
tein an der Universität Wien (hrsg. von C. Gastgeber und E. Klecker), Wien 2008, S. 143–175, insb. S. 148–149
und 173: In der 1560 gehaltenen Rede des Petrus Paganus werden sechs in der Universitätsaula hängende Porträts
erwähnt: Friedrich III., Maximilian I., Karl V., Ferdinand I., Maximilian II und in einem Doppelporträt dessen
Brüder Ferdinand und Karl.
18 Catalogus rectorum et illustrium virorum archigymnasii Viennensis, Wien 1559, S. 17
19 A. Kohler, Bildung und Konfession. Zum Studium der habsburgischen Studenten an Hochschulen aus dem Reich
1560–1620, in: Bildung, Politik und Geschichte. Studien zur Geschichte des europäischen Bildungswesens vom 16.
bis zum 20. Jahrhundert. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 5) (hrsg. von G. Klingenstein / H.
Lutz / G. Stourzh), S. 64–123, hier S. 94.
20 M. Rosa di Simone, Die Zulassung zur Universität, in: Von der Reformation bis zur französischen Revolution
(hrsg. von W. Ruegg), S. 235–262, hier: S. 255. Der Anteil der adeligen Studenten nimmt erst später zu, bleibt aber
in Wien eher gering: Mühlberger, Matrikelbuch Bd. VI, (zit. Anm. 6) S. XIII und Bd. VII S. XV, verzeichnet für
den Zeitraum zwischen 1689/99 und 1715/16 einen – bereits gestiegenen – Anteil von 21%, für den Zeitraum zwi-
schen 1715/16 und 1745/46 einen Anteil von 26,5% adliger Universitätsbesucher.
21 H. Karner/W. Telesko, Die Jesuiten in Wien. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der österreichischen Ordenspro-
vinz der Gesellschaft Jesu im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 2003.
22 J. Wrba, Der Orden der Gesellschaft Jesu im alten Universitätsviertel von Wien, in: Das alte Universitätsviertel in
Wien 1385–1985 (hrsg. von K. Mühlberger/G. Hamann/F. Scacel), Wien 1985, S. 55 ff.
23 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität (zit. Anm. 12), Bd. II, S. 467–468.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken