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aus Stein eingelassen, darunter befinden sich in
Gold gefassten Versalien sein Vor- und Zuname,
der Zusatz „Der Entdecker der Blutgruppen“
sowie die Lebensdaten 1868–1943.51 Die Signa-
tur des Künstlers „A. Hartig“ ist an prominenter
Stelle rechts neben dem Nackenbereich Land-
steiners sichtbar. Das Denkmal selbst besitzt kei-
nerlei Attribute oder Symbole als Hinweis auf
das Fachgebiet des Dargestellten, so wird dieser
hauptsächlich durch die Inschrift identifizierbar.
Landsteiner wird hier auch deutlich als Nobel-
preisträger für die Entdeckung der Blutgruppen
ausgewiesen und nicht etwa als Professor an der
Universität Wien, wie das bei anderen Denkmä-
lern der Fall ist. Zudem weist das Medaillon ei-
ne Referenz an die Nobelpreismedaille von dem
schwedischen Bildhauer und Medailleur Erik
Lindberg auf, die seit 1901 auf der Vorderseite
das Profilporträt Alfred Nobels nach links bein-
haltet.52 Im Œuvre Hartigs gibt es keine Medail-
le Landsteiners, auf dessen Modell oder Vorstufe
er sich später als Vorlage für das größere Medail-
lon beziehen hätte können.53 Hartig selbst stand
auch nicht in Kontakt mit Landsteiner, dieser
war seit 1929 in New York und verstarb dort 1943.54 Da zur Konzeption des Medaillons keine
Modellsitzung mit dem zu Porträtierenden statt-
finden konnte, musste der Künstler auf Fotogra-
fien zurückgreifen. Eine Serie von vier Porträt-
fotografien, datiert auf den 1. November 1930,
zeigen Landsteiner am Rockefeller Institute for
Medical Research in New York.55 Diese beinhal-
ten Nahaufnahmen des Mediziners in weißem
Arztkittel gekleidet in unterschiedlichen Positi-
onen, sowohl frontal im Porträt als auch an sei-
nem Arbeitstisch sitzend im Dreiviertelprofil.
Auf dem Tisch befinden sich Reagenzgläser in
unterschiedlichen Größen, Bücher und ein Mik-
roskop, als essenzieller Bestandteil seiner Wissen-
schaft, arrangiert. Die Aufnahmen repräsentie-
ren Landsteiner unmittelbar in seiner Tätigkeit
als Forscher. Zu diesen Fotografien dürfte auch
jene Aufnahme gehören, die Landsteiner im
Profil nach links in gleicher Umgebung zeigt,
zwischen seinen auf der Tischfläche abgelegten
Händen befinden sich das Mikroskop, daneben
Reagenzgläser und ein Blatt Papier (Abb. 11).56
Hartig waren diese Aufnahmen mit Sicherheit
bekannt, da das Medaillon eindeutige Paralle-
len zu genau dieser Fotografie aufweist. Beson-
andrea
mayr84
51 Über das genaue Material der Tafel – welcher Stein oder Marmor – wird in dem Aktenkonvolut UAW Senat S
222.36 nicht berichtet. Darin wird das Denkmal als Gedenktafel mit Relief bezeichnet.
52 Die Rückseite ziert eine allegorische Darstellung der Medizin, bestehend aus einer weiblichen Figur mit offenem
Buch in ihrem Schoß, die das Wasser von einem Felsen sammelt, um den Durst eines kranken Mädchens zu stillen.
Für eine Abbildung siehe http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/about/medals/index.html, abgerufen am 17. Juni
2015.
53 Für die Auskunft danke ich Herrn Dr. Harreither, Leiter des Museum Lauriacum in Enns, das den künstlerischen
Nachlass Arnold Hartigs verwahrt. Ihm zufolge gibt es im Archiv kein Objekt mit Bezug zu Karl Landsteiner.
54 Vgl. Hartig, Aus meinem Leben (zit. Anm. 14); in seiner Autobiografie wird Landsteiner nicht erwähnt. Zum ge-
samten Medaillenbestand in Hartigs Werk siehe Prokisch: Nachlass Arnold Hartig im Museum Lauriacum (zit.
Anm. 15), S. 4–68.
55 Die fünf Fotografien in s/w sind als Teil der Sammlung Bettmann gekennzeichnet, das Copyright liegt bei Corbis
Images, http://www.corbisimages.com/stock-photo/rights-managed/BE041879/dr-karl-landsteiner?popup=1, abge-
rufen am 30. April 2015; Zitat Bildunterschrift: „Original caption: 11/1/30-New York: Closeup of Dr. Karl Land-
steiner, famous bacteriologist and pathologist, who has just been announced as the winner of the 1930 Nobel prize
for medicine. Dr. Landsteiner was photographed as he was continuing with his research work at the Rockefeller
Institute for Medical Research this morning. […].”
56 Diese Fotografie findet sich abgedruckt in s/w auch bei Speiser/Smekal, Karl Landsteiner. Entdecker der Blutgrup-
pen (zit. Anm. 46), S. 34, Abb. 19. Die Bildunterschrift weist jedoch darauf hin, dass hier Karl Landsteiner in seinem
Laboratorium im Pathologisch-Anatomischen Institut der Universität Wien abgebildet ist, wo er die epochale Ent-
deckung der Blutgruppen des Menschen um 1900 machte. Betrachtet man die Fotografie jedoch genauer, so passen
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken