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Exner gab – von ihm muss damals auch schon ei-
ne Büste existiert haben. Bei der Darstellung der
Personen sollte die Zeit ihrer vollen Wirksamkeit
[…] in Betracht kommen, also etwa das Jahr 1850.
Da sich das Comité bewusst war, dass der
Aufstellungsort für die Form des Denkmals mit-
entscheidend sei – Benndorf hatte in der Sitzung
das Quarré bei der Stiege, die zur Bibliothek führt,
vorgeschlagen –, wurde für den 6. Jänner 1889
eine Begehung festgesetzt, um einen geeigneten
Platz für das Denkmal zu finden.8
Diese Begehung durch Miklosich, Exner, La-
tour, Schenkl, Zumbusch und Köchlin – man
traf sich um 1 Uhr Mittag vor dem Archaeo-
logisch-Epigraphischen Seminar9 – ergab zwei
Möglichkeiten: zum einen die linke, südwest-
liche Ecke der Arkaden, wo sich eine in das Depot
der Universitätsbibliothek führende Thüre befand.
Falls das Denkmal hier versetzt würde, müsste
diese Türe zugemauert werden, was aber prob-
lemlos geschehen könne, da sie – laut Protokoll
– weder für die Bibliothek noch für die Communi-
cation überhaupt irgend einen Werth besitzt.10 Als
zweiter möglicher Aufstellungsort kam die linke
Seite des Atriums vor dem Festsaal auf der Sei-
te der juridischen Fakultät in Frage. Für beide
Plätze sollte Kundmann Skizzen entwerfen und
sie der nächsten Sitzung des ‚artistischen Comi-
tés‘ vorlegen, zu der der Künstler auch einzula-
den sei.11
Diese fand am Himmelfahrtstag, den 30.
Mai 1889, statt. Einige Tage zuvor hatte Kund-
mann Benndorf sein Kommen zu dieser Sitzung mitgeteilt, musste gleichzeitig jedoch bemerken
daß meine Angaben über Herstellungskosten noch
nicht ganz genau sein können. Auch hatte er ange-
kündigt, am 29. Mai seine ausgearbeiteten Skiz-
zen zu Benndorf in die archäologische Samm-
lung der Universität zu bringen.12 Offenbar war
es ihm ein Anliegen, die Entwürfe vorher mit
Benndorf durchzusprechen.13
In besagter Sitzung legte Kundmann zwei
Skizzen vor, die den Akten leider nicht beilie-
gen, aber die kursorischen Beschreibungen im
Protokoll helfen uns, eine Vorstellung von ih-
nen zu bekommen. Der Standbild-Entwurf zeig-
te demnach in einem architektonischen Aufbau in
der Mitte das Standbild des Grafen Thun, wäh-
rend rechts und links zwei Hermen mit den Büsten
von Exner und Bonitz angebracht sind. Die zweite
Skizze stellte in einem Relief, das architektonisch
umkleidet und im Giebel mit einer Figur der Wis-
senschaft geschmückt ist, den Grafen Thun in sei-
nem Bureau sitzend dar; rechts vor ihm steht Ex-
ner im Begriffe einen Vortrag zu halten, links hinter
ihm steht Bonitz dem Vortrage gespannt folgend.
Kundmann erläuterte seine Ideen, die er mit
diesen Entwürfen verfolgt hatte, und die Details
der Ausführung. Hinsichtlich der Wahl zwischen
beiden Entwürfen waren die Meinungen der Ko-
miteemitglieder sehr geteilt. Trenkwald, Zum-
busch und Köchlin stimmten sofort für die Re-
liefskizze. Trenkwald meinte, das Relief zeige eine
wärmere Auffassung und mehr Leben; die Idealfi-
gur im Giebel rücke dasselbe schon aus der Sphäre
des Genrehaften. Latour sprach sich dagegen für
hubert d.
szemethy92
9 Heute ist in diesen Räumlichkeiten das Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigra-
phik untergebracht.
10 Im nördlichen Teil der Arkaden existiert eine vergleichbare Tür noch heute.
11 S. dazu Protokoll III der Begehung der Universität vom 6. Jänner 1889 (ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-Präs. 122 ex
1890, Beilage).
12 Brief Kundmanns aus Wien an Benndorf, 25. Mai 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 650/2-6).
13 Den Rat Benndorfs schätzten auch andere Künstler, z. B. Caspar von Zumbusch, der Benndorf um seine Meinung
zum Entwurf für das Radetzky-Denkmal (Brief Zumbuschs aus Wien, 5. Oktober 1886 [ÖNB, HAD: Autogr.
666/4-10]; Postkarte Zumbuschs aus Wien, 26. Mai 1888 [ÖNB, HAD: Autogr. 666/4-17]) bzw. für das Glaser-
Denkmal bat (Brief Zumbuschs aus Wien, 31. Oktober 1887 [ÖNB, HAD: Autogr. 666/4-15]).
14 Das Vorherige zusammengefasst nach Protokoll IV der Sitzung vom 30. Mai 1889 (ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-
Präs. 122 ex 1890, Beilage).
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken