Page - 108 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Image of the Page - 108 -
Text of the Page - 108 -
angespannte Situation gegenüber den jüdischen
Mitbürgern an und traf damit nicht nur bei den
deutschnationalen Burschenschaftern auf begeis-
terte Anhänger.12 Erst 1891 konnte er den sowohl
bei antisemitischen Anhängern als auch bei mi-
nisterialen Gegnern erzeugten Aufruhr durch
seine Ehrenmitgliedschaft im „Verein zur Ab- wehr des Antisemitismus“ wieder besänftigen.
Nachweislich blieben seine Äußerungen in anti-
semitischen Kreisen in Erinnerung. Diese Schat-
tenseite in Billroths Biografie ist entscheidend
für das Verständnis des Denkmals, das 1944 zur
Aufstellung kam.
die billroth-denkmäler vor 1900
Über Jahrhunderte waren Porträtbüsten und
Denkmäler der gesellschaftlichen Elite vorbe-
halten und entwickelten sich erst seit dem spä-
ten 18. Jahrhundert zum Medium der bürgerli-
chen Repräsentation.13 Das Neue Wiener Tagblatt
beklagte im Jahr 1867, dass diese Entwicklung in
Österreich besonders schleppend vor sich gin-
ge, aber dass auch hier die Zeit kommen müsse,
wo den bürgerlichen Verdiensten und den gro-
ßen Erfindern Monumente gesetzt würden.14 Seit
der Mitte des 19. Jahrhunderts war Wien geprägt
von der Anlage der Ringstraße, den seit Jahrhun-
derten größten Eingriff in die Urbanistik der
Stadt. Hier boten sich sowohl an den entstehen-
den Plätzen als auch an den Fassaden der Mo-
numentalbauten zahlreiche Möglichkeiten für
die Ehrungen von Mitgliedern des Kaiserhau-
ses, von verdienstvollen Militärs, aber schließ-
lich auch von Komponisten und herausragenden
Vertretern des Bürgertums. Diese sprunghafte
Entwicklung rief innerhalb kürzester Zeit auch
Kritiker auf den Plan, die die „Selbstbedenkma-
lungs-Arroganz“ der Wiener Gesellschaft und
die darauffolgende „Denkmal-Pest“ beklagten.15
Einer der vielbeschäftigten Bildhauer war
Kaspar von Zumbusch (1830–1915), der, nach seiner Ausbildung an der Polytechnischen Schu-
le in München, in Wien zahlreiche Denkmäler
im öffentlichen Raum geschaffen hat. Beson-
ders prestigeträchtige Aufträge waren jene für
das Beethoven-Denkmal und das prächtige Ma-
ria-Theresien-Denkmal an der Ringstraße. Für
die Ehrung der Wiener Gelehrten wurde im Jahr
1885 im Arkadenhof des Universitätsneubaus an
der Ringstraße ein Memorialraum eingerichtet.16
Hier sollten die bedeutenden Wissenschaftler der
Universität posthum geehrt werden und durch
ihre Anwesenheit in effigie den nachkommenden
Generationen als Vorbild und Ansporn dienen.
Der gesellschaftliche Bedarf einer solchen bür-
gerlichen Ehrenhalle spiegelt sich nicht nur in
dem oben zitierten Artikel wider, sondern zeigt
sich besonders in der Resonanz. Obwohl der Se-
nat als erste Bedingung stellte, dass der Univer-
sität aus den Denkmalserrichtungen keine Kos-
ten erwachsen sollten, fanden sich schon bis zur
Jahrhundertwende private Stifter, meist die Pro-
fessorenwitwen, die Kollegen oder die Schüler-
schaft, die für die Aufstellung von ungefähr vier-
zig Denkmälern sorgten.
Das Denkmal für Billroth hatte der renom-
mierte Bildhauer Zumbusch im Jahr 1897 voll-
julia
rüdiger108
12 Seebacher, Das Fremde (zit. Anm. 13), S. 84–86.
13 P. Zitzlsperger, Die Büste als Porträt. Historische und theoretische Überlegungen, in: Die obere Hälfte. Die Büste
seit Rodin (hrsg. von D. Brunner et al.), Heidelberg 2005, S. 24.
14 Neues Wiener Tagblatt, 20. Oktober 1867, zit. nach W. Telesko, Kulturraum Österreich. Die Identität der Regio-
nen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2008, S. 165–166.
15 F. Kürnberger, Ein Aphorismus zur Denkmal-Pest unserer Zeit, in: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur,
Kunst und öffentliches Leben, 10 (30. März 1872), S. 154–156.
16 Th. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze, Wien 2007, S. 11.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
back to the
book Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken