Page - 109 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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endet. Mediziner und Bildhauer hatten sich spä-
testens Mitte der 1880er-Jahre kennengelernt, als
Billroth eine Büste des Kronprinzen Rudolf, des
kaiserlichen Protektors der Krankenanstalt Ru-
dolfinerhaus, bestellt hatte. Noch zu Billroths
Lebzeiten erhielt der Künstler den Auftrag, ei-
ne Porträtbüste von dem Mediziner zu schaf-
fen. Diese überreichten Billroths Schüler im
Jahr 1892 der Berliner Charité, wo sie sich noch
heute befindet.17 Spätestens nach der Fertigstel-
lung dieser ersten Büste machte Billroth sich be-
sagter Selbstbedenkmalungs-Arroganz schuldig,
indem er an Zumbusch schrieb, dass er damit
rechne, dass ihm nach seinem Tod ein Denk-
mal im Arkadenhof der Universität Wien, wo
seit 1888 eine Ehrenhalle mit den Büsten der he-
rausragendsten Professoren eingerichtet worden
war, gewidmet würde.18 Aus diesem Grund hät-
te er testamentarisch verfügt, dass Zumbusch
das Denkmal ausführen solle. Das nötige Ho-
norar übersandte er gleichzeitig an den Künstler,
damit unter seinen Schülern und Kollegen kei-
ne Sammlungen durchgeführt werden mögen.19
Nach Billroths Tod vollendete Zumbusch als ers-
tes jenes Bildnis, das am 26. April 1895 feierlich
vor dem Rudolfinerhaus enthüllt wurde.20 Die
weiße Marmorbüste auf einem hohen Sockel äh-
nelt der Berliner Büste von 1892, weist aber den-
noch in einigen Details Unterschiede auf. Wie in
der ersten Büste nach dem Leben sitzt auch hier
der Haaransatz weit hinten und tiefe Falten um-
spielen die Augen, dennoch wirken im späteren
Porträt die Gesichtszüge noch stärker idealisiert.
Denn die Tränensäcke wirken weniger tief, die
Wangen runder und glatter und der Bart noch
länger. Statt der weichen Stofflichkeit der Berli-
ner Büste gestaltete Zumbusch den drapierten Stoff hier kräftiger, sodass die Assoziation zur To-
ga des antiken Gelehrten deutlicher hervortritt.
Damit stellte Zumbusch den Mediziner in die
Tradition des Gelehrtenporträts all’antica, deren
Form das Modell durch idealisierte und zeitlo-
se Darstellung in die Ewigkeit einschreiben soll-
te.21 Auf die Errungenschaften des Dargestellten
nimmt diese Art der Gestaltung jedoch keinen
Bezug. Lediglich im bronzenen Kapitell des So-
ckels verweist ein kleiner Äskulap auf die Profes-
sion des Porträtierten.
Einen ikonografischen Kontrast bildet das
Denkmal im Arkadenhof der Universität. Im
Gegensatz zu seinen früheren Werken nutzte
Zumbusch hier die gestalterischen Möglichkei-
ten zur Gänze aus. In einer reduzierten Ädiku-
la steht Billroth hinter einer Lehrkanzel, als wäre
er gerade im Begriff zu dozieren. Billroths kräf-
tiger, überlebensgroßer Körper füllt den Raum
zwischen Wand und Kanzel vollständig aus, die
erhöhte Position des Denkmals verleiht dem Ab-
bild zusätzliche Autorität als Hochschullehrer.
Während die Geste seiner linken Hand diesen
Eindruck des Lehrenden unterstützt, hält seine
rechte ein Skalpell, um auf seine Errungenschaf-
ten in der Chirurgie aufmerksam zu machen.
Zwischen seinen Händen auf der Lehrkanzel
liegt die anatomische Zeichnung des Becken-
knochens mit dem oberen Abschnitt des Femurs,
die offenkundig auf Billroths Erfolge bei Kno-
chenoperationen anspielt, wie er sie in Zürich
begonnen und in Wien systematisch verfeinert
hatte. Mit diesen Attributen verweist das Denk-
mal auf die unterschiedlichen Aufgabenbereiche
von Billroths Professur. Die Kanzel und die ana-
tomische Zeichnung an sich verweisen auf die
theoretische Vermittlung medizinischer Kennt-
Medicus in effigie 109
17 Siehe A. Keune, Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Denkmäler, Büsten, Reliefs, Gedenkta-
feln, Gemälde, Zeichnungen, Graphiken, Medaillen, Berlin 2010, S. 68; siehe auch M. Kolisko, Caspar von Zum-
busch, Zürich/Leipzig/Wien 1931, S. 69–70.
18 Archiv der Universität Wien, UAW Senat S 87.1.36.
19 Kolisko, Zumbusch (zit. Anm. 19), S. 79–80.
20 Kolisko, Zumbusch (zit. Anm. 19), S. 86.
21 F. M. Kammel, Charakterköpfe. Die Bildnisbüste in der Epoche der Aufklärung, Nürnberg 2013, S. 103–104.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken