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ob die Professorenschaft selbst den Wandel mit-
vollzogen hat und die traditionelle Form der Per-
sonenehrung als nicht mehr zeitgemäß erachtete
oder ob die Professorenschaft, die ja als Antrag-
steller eine wichtige Funktion bei den Denkmaler-
richtungen hat, in der Defensive war und deshalb
keine neuen Denkmäler mehr beantragt wurden.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass
vier Denkmalanträge aus den Jahren 1965 bzw.
1967 nicht mehr realisiert wurden, wobei nur in
einem Fall politische und moralische Bedenken
für das Nichtzustandekommen ausschlaggebend
waren: beim Antrag eines Denkmals für den His-
toriker und Nationalsozialisten Heinrich von Sr-
bik (1878–1951).6 Das Denkmalwesen an der Uni-
versität Wien, das bis dahin mit erstaunlicher
Gleichmäßigkeit funktionierte, kam jedenfalls
zum Stillstand. Seither sind Denkmalsetzungen
im Arkadenhof Einzelfälle, auch wenn sich um die
Mitte der 1980er-Jahre eine kurze Wiederbelebung
abzeichnet. Eine letzte kurze Blüte bei den Denk-
malenthüllungen gibt es in den späten 1990er-
Jahren in der Ära von Rektor Alfred Ebenbauer
und in den Jahren 2001 und 2002, also am Beginn
des zwölf Jahre dauernden Rektorats von Georg
Winckler. Seit 2002 werden zwar immer wieder
Denkmalswünsche diskutiert, aber seit dem Erlass
im Jahre 2009, dass der Arkadenhof in seiner jetzi-
gen Form „musealisiert“ werden soll, erübrigt sich
ja auch das Stellen von neuen Anträgen.
Wenden wir uns zunächst den Denkmälern
der ersten Blütephase zu und der Frage, welche Fächer geehrt wurden. An der Spitze stehen, wie
könnte es anders sein, die Mediziner mit acht
Denkmälern.7 Die zweite große Gruppe bilden
die Theologen mit fünf Denkmälern, wobei zu
bemerken ist, dass es im Arkadenhof insgesamt
nur acht Denkmäler für Theologen gibt.8 Die
Philologen sind mit drei Denkmälern vertreten.9
Hinzu kommen die Denkmäler für den Chemi-
ker Rudolf Wegscheider (1949), den Biologen
Hans Molisch (1950), den Philosophen Franz
Brentano (1952), den Juristen Max Hussarek
von Henlein (1954), den Kunsthistoriker Julius
von Schlosser (1955), den Mineralogen Friedrich
Becke (1956) und die beiden Ökonomen Eugen
von Böhm-Bawerk (1950) und Friedrich von
Wieser (1957). Von diesen 24 Gelehrten waren
mindestens fünf auch in einer politischen Spit-
zenfunktion tätig. Es sind dies die Professoren
Ignaz Seipel (1950), Heinrich Lammasch (1953),
Julius Tandler (1956) und die bereits genannten
Eugen von Böhm-Bawerk (1950) und Friedrich
von Wieser (1957).
Beim zweimaligen Bundeskanzler Ignaz
Seipel (1872–1932) heißt es im Antrag lapidar,
dass die katholisch-theologische Fakultät auf An-
regung des Rektors die Bitte äußerte, eine seit
Langem im Hörsaal stehende Büste „auf einem
angemessenen Platz in den Arkaden zur Aufstel-
lung“ zu bringen. Rektor war in diesem Studi-
enjahr 1949/1950 der konservative Richard Meis-
ter, der nicht in der NSDAP gewesen war und
als politisch unbelastet galt.10 Meister hatte schon
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zeitgemäss
6 Für den Hinweis auf die nicht realisierten Denkmäler danke ich Andrea Mayr. Mit den drei anderen Denkmälern
sollten der Numismatiker Joseph Hilarius Eckhel (1737–1798), der Mathematiker Wilhelm Wirtinger (1865–1945)
und der Jurist Alexander Hold-Ferneck (1875–1955) geehrt werden. Universitätsarchiv UAW, Senatsakten S 222.43,
44, 45 und 48.
7 Ich nenne nur die Namen der geehrten Mediziner und das Jahr der Denkmalsenthüllung. Die übrigen Informati-
onen zu den einzelnen Denkmälern finden sich auf den Internetseiten der Universität Wien (wie Anm. 5): Eduard
von Hofmann (1947), Anton von Eiselsberg (1950), Ernst Fuchs (1951), Julius von Wagner-Jauregg (1951), Hans
Horst Meyer (1953), Gustav Riehl (1954), Sigmund Freud (1955), Julius Tandler (1956)
8 Die Theologen: Ignaz Seipel (1950), Rudolf von Scherer (1951), Martin Schindler (1951), Max Hussarek von Heinlein
(1954), Heinrich Swoboda (1956).
9 Die Philologen: Hans von Arnim (1948), Rudolf Much (1952), Vatroslav von Jagic (1954).
10 Zu seiner Biografie siehe: F. Graf-Stuhlhofer, Opportunisten …, in: Wiener Klinische Wochenschrift 110, 1998,
S. 152–157.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken