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früher bei der Gestaltung des Arkadenhofs mit-
gewirkt und bereits 1932 ein erstes kleines Büch-
lein über die Professorendenkmäler verfasst. Die
vorhandene Büste wurde von der Artistischen
Kommission allerdings als wenig geeignet ein-
geschätzt und der Kunsthistoriker Otto De-
mus, der damalige Leiter des Bundesdenkmal-
amtes, beauftragt, nach einem besseren Porträt
zu suchen. Schließlich wurde ein Werk aus dem
Nachlass des Bildhauers Josef Engelhart (1864–
1941) aufgestellt.11
Sechs Jahre später erhielt auch der Medi-
ziner Julius Tandler (1869–1936), der als so-
zial demokratischer Abgeordneter Mitglied der
Wiener Landesregierung war und sich für die
Einführung der Sozialhilfe und die Schaffung so-
zialer Einrichtungen starkmachte, wohl auch aus
Proporzgründen ein Denkmal im Arkadenhof.
Den Auftrag erhielt Josef Riedl (1884–1965), der
die Arbeit an diesem Porträt mehrfach in seinem
Tagebuch erwähnt.12
Offensichtlicher ist das Wirken des Ministe-
riums beim Denkmal für den Juristen und letz-
ten Ministerpräsidenten der Monarchie Heinrich
Lammasch (1853–1920) (Abb. 7). Satzungsge-
mäß wurde der Antrag zwar von drei Professo-
ren der Rechtswissenschaft gestellt, die Finanzie-
rung und die Auswahl des Künstlers lagen jedoch
beim Bundesministerium für Unterricht. Interes-
sant ist in unserem Zusammenhang, dass wiede-
rum Otto Demus mit der Auswahl des Künstlers
beauftragt wurde und in diesem Fall den 65-jäh-
rigen Josef Humplik (1888–1958) vorschlug.
Bei den beiden Ökonomen, dem Finanzmi-
nister Eugen von Böhm-Bawerk (1851–1914) und
dem Nationalratsmitglied Friedrich von Wieser
(1851–1926), ist der Fall etwas komplexer. Bereits
1936 stellte die Rechts- und Staatswissenschaft-
liche Fakultät den Antrag, ein Doppeldenkmal für die beiden Vordenker der Österreichischen
Schule der Nationalökonomie im Arkaden-
hof errichten zu dürfen. In den Akten zu die-
sem Denkmal wird kein Grund genannt, warum
die Realisierung nicht recht vorankam. Da der
Zeitraum zwischen der Antragstellung und der
Enthüllung oft mehrere Jahre dauert, ist es sehr
wahrscheinlich, dass die Realisierung des Dop-
peldenkmals nach dem Regierungswechsel 1938
unmöglich wurde, denn es gab Gerüchte, dass
Wieser „nicht rein arisch war“.13 Böhm-Bawerk,
der als der wichtigere der beiden gilt, wurde be-
reits 1950 mit einem Einzeldenkmal geehrt. Das
Denkmal für Friedrich von Wieser folgte sieben
Jahre später.
Die Verzögerung bei den beiden zuletzt
genannten Denkmälern führt zu der Frage, ob
es bedingt durch Faschismus und Krieg einen
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11 UAW S 222.10, GZ 358.
12 R. Riedl (Hg.), Leben und Schaffen des Bildhauers Josef Riedl, Frankfurt a. M. 2005, S. 273–276.
13 Graf-Stuhlhofer zitiert ein Schreiben von Richard Meister an den Regierungsrat Ludwig Berg aus dem Jahr 1943.
Siehe: Graf-Stuhlhofer, Opportunisten …, (wie Anm. 10), S. 155 und 157.
Abb. 7: Josef Humplik, Denkmal für Heinrich Lammasch,
Arkadenhof der Universität Wien.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken