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einem mit Figuren und Girlanden geschmück-
ten Sockel. Es sollte als Modell für weitere Gen-
fer Wissenschaftlerbüsten dienen, welche danach
im Parc des Bastions ihren Platz fanden.
Mittels der Büsten wurden die Bastions op-
tisch zum wissenschaftlichen und künstlerischen
Zentrum (Abb. 11). In der Tat hatte die Socié-
té des Arts ihren Sitz nur wenige Meter davon
entfernt. Es war ein Verein von Gelehrten und
Künstlern, deren Ziel es war, verschiedene soziale
Milieus miteinander in Verbindung zu bringen:39
die Künstler und Handwerker aus dem Klein-
bürgertum und populäre Schichten mit den
Wissenschaftlern vom Patriziat.40 Viele Büsten
von Pradier wurden, bevor sie ihren endgültigen Platz fanden, von der Société des Arts ausgestellt.
Der Künstler fertigte auch 1826 das posthume
Porträt seines Direktors Marc-Antoine Pictet
(1752–1825), Professors für Physik.41
Dieses wissenschaftliche und künstlerische
Zentrum wurde noch verstärkt durch die Ein-
weihung des Musée Rath 1825 und später, 1875,
durch die Errichtung der neuen Universität ge-
genüber der Orangerie und den Umzug der alten
Bibliothek von Saint Antoine. Die Bastions stell-
ten somit eine Verbindung zwischen verschiede-
nen Bauwerken her, die eine künstlerische und
wissenschaftliche Funktion haben (Orangerie,
Musée Rath, Universität, Akademische Biblio-
thek und Société des Arts), und bildeten zugleich
eine Bühne für die Porträts von Gelehrten.
Die Architektur der Orangerie mit fünf
schmucklosen Arkaden erscheint schlicht und
streng. Diese Charakteristik wurde von Zeitge-
nossen gepriesen, denn sie wurde als für Genf
angemessen betrachtet. So schrieb de Candol-
le: Malgré la modestie appropriée à notre petites-
se [sic], il convenait cependant de donner à ce bâti-
ment une architecture un peu soignée et un style
monumental.42
Das Gebäude wurde von Guillaume-Hen-
ri Dufour (1787–1875) entworfen. Als Ingenieur
der École Militaire de Saint Cyr und ehemaliger
Kapitän unter Napoleon trieb er die Moderni-
sierung von Genf während der Restauration ent-
scheidend voran. Sein Schüler Samuel Vaucher
(1798–1877) errichtete an der Südseite das Mu-
sée Rath und die Gebäude der Rue de la Corra-
terie, und Dufour überwachte den Bau des Pa-
lais Eynard, der teilweise von Vaucher geplant
wurde.43 Im Norden der Stadt plante Dufour die
James Pradier und die Hommage an die genfer elite 279
39 Über die Société des Arts siehe Natale, Le goût et les collections (zit. Anm. 1), S. 74–79.
40 Dasselbe Prinzip einer Kooperation zwischen Kunst und Wissenschaft wird im „Discours préliminaire“ der Encyc-
lopédie von Diderot & d’Alembert ausgedrückt: „les artisans reçoivent l’aide de savants pour perfectionner leur ou-
vrages“, zit. in D. Buyssens, Galerie de portraits et collections iconographiques, in: Patrimoines de la Bibliothèque
de Genève: un état des lieux au début du XXIe siècle (hrsg. von D. Buyssens), Genève 2006, S. 19.
41 Lapaire, James Pradier (zit. Anm. 36), S. 261–262, N. 42.
42 Corboz, La place Neuve (zit. Anm. 32), S. 24.
43 Ebenda, S. 23–24.
Abb. 10: James Pradier, Büste von Charles Bonnet, 1819–
1822, Marmorkopie (Anfang des XX. Jh.). Genf, botanisches
Konservatorium.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken