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te, Denkmäler in diesem Pantheon. Nach 1989
veränderte sich wiederum die Erweiterungsstra-
tegie. In den beiden letzten Jahrzehnten wurden
Monumente vor allem für Persönlichkeiten er-
richtet, die auf irgendeine Weise mit der Stadt
Szeged verbunden sind (dort geboren wurden,
dort arbeiteten oder eben an der Universität un-
terrichtet haben).27
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs rich-
tete sich das politische System Ungarns gegen die
politische Ideologie der Zwischenkriegszeit und
dies übte eine Wirkung auch auf die Gedenkpo-
litik dieser Ära aus. Nach 1945 wurden nämlich
die Denkmäler derjenigen aus der Ruhmeshal-
le entfernt, die nicht in den Gedankenkreis der „progressiven Traditionen Ungarns“ einzuglie-
dern waren. An ihre Stelle rückten Skulpturen
von Schriftstellern und Dichtern, die bis dahin
vernachlässigt worden waren. Da Ungarn nach
dem Zweiten Weltkrieg zum sowjetischen Ein-
flussbereich gehörte und in ihm vier Jahrzehnte
verblieb, brachte diese Lage auch in der Memo-
rialpolitik extreme Lösungen hervor, besonders
in den 1950er-Jahren. Im Zeichen der sowjetisch-
ungarischen Freundschaft musste beispielsweise
auf der Fassade der Ungarischen Akademie der
Wissenschaften auch ein russischer Gelehrter
Platz finden, und der wurde in der Gestalt von
Lomonossow anstelle der Raffaelskulptur ange-
bracht (Bildhauer: Gyula Palotai Szkalos, 1963).28
Erst während der Ära der Konsolidierung
nach der Niederschlagung der Revolution von
1956, ab dem Ende der 1960er-Jahre, ergab sich
die Möglichkeit, dass die verschiedenen Wissen-
schaftsgebiete – aufgrund der Traditionen ihres
eigenen Fachgebiets – thematische Gelehrtenen-
sembles errichten durften. Fortschrittlich waren
darin die Museen. Schon 1969 wurde zum Bei-
spiel das erste Gießereimuseum Europas in ei-
ner geschlossenen Gießerei in der Innenstadt
von Budapest eröffnet. Im Garten des Museums
reihen sich die Büsten hervorragender Gestalten
der ungarischen Metallurgie und Gießerei bis in
die jüngste Vergangenheit.29 Eine ähnliche Initi-
ative des Landwirtschaftsmuseums war das Büs-
tenensemble der bedeutenden Persönlichkeiten
der ungarischen Landwirtschaft im Garten des
historisierenden Gebäudekomplexes der Burg
Vajdahunyad im Stadtwäldchen von Budapest.
Aber der würdigste Gedenkort desselben Gelehr-
tenkreises wurde nicht dies, sondern die äußere
Arkade des Agrarministeriums, das sich am re-
präsentativsten Platz von Budapest, gegenüber
géza galavics – bálint
ugry346
27 A. Tóth, The National Pantheon, in: Ders., A Nemzeti Emlékcsarnok, Szeged 2009, S. 14–16. (Fotos und englisch-
sprachige biografische Daten aller porträtierten Persönlichkeiten). – Zu den Denkmälern: http://panteon.szegedva-
ros.hu, abgerufen am 23. Jänner 2017.
28 Sisa, A Magyar Tudományos Akadémia székháza (zit. Anm. 9), S. 53.
29 K. Lengyelné Kiss, 40 éve a köz szolgálatában, in: 40 éves az Öntödei Múzeum 1969–2009 (hrsg. von K. Lengyel-
né Kiss/A. Schudich), Budapest 2009, S. 8–35, S. 16.
Abb. 11: Szeged, Arkadenhof des Domplatzes mit Denkmä-
lern.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken