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statt Johann Weichard Valvasor übernehmen sol-
le; Protestanten ließ er völlig unberücksichtigt.
Nach dem Tod der beiden Thalnitschers blieb das
Konzept unrea lisiert. Statt einer Porträtgalerie
bedeutender krainischer Gelehrter malte Quaglio
1721 an die Decke des Bibliothekssaales eine klas-
sische barocke Allegorie mit der Personifikation
der Wahrheit17 – als Leittugend aller Wissenschaf-
ten – im Zentrum (Abb. 1). Das auf den Ort und die Stadt be zogene Konzept und sein Kontext
blieben unrealisiert. Unter dem Kanoniker Gre-
gor Andreas Gladich (1659–1725), Domdechant
nach dem Tod von Johann Anton Thalnitscher
1714, der die Bauvollendung des Seminars und
der Bibliothek leitete, schuf der Künstler Quag-
lio den Bozzetto, in dem die Raumfunktion zwar
berücksichtigt wurde; aber eine solch unspezifi-
sche Ausmalung ohne Auftraggeber, krainische
Gelehrte und Mitglieder der Academia Operoso-
rum, die Bücher für die erste öffentliche wissen-
schaftliche Bibliothek stifteten, hätte jede De-
cke in Europa zieren können. Im gleichen Jahr,
1725, als Gladich starb und die Academia Ope-
rosorum sich auflöste, war die Bibliothek vollen-
det, und die geschenkten Bücher wurden in die
neuen Regale übertragen.18 Statt der visuellen Re-
präsentation der Stifter und krainischen Autori-
täten, die Laibach nach römischem Vorbild in ei-
ne moderne künstlerische und wissenschaft
liche
Stadt verwandelt hatten, wurde die Bedeutung
der Wissenschaft durch die Personifikationen der
vier Fakultäten (Theologia, Philosophia, Medicina,
Ius),19 die zu dieser Zeit in Laibach jedoch noch
überhaupt nicht existierten, dargestellt (Abb. 2).
Unter der Führung der Wahrheit und der drei ka-
tholischen Tugenden sitzen die vier großen west-
lichen Kirchenväter und die vier katholischen
Kirchenlehrer (hl. Bonaventura, hl. Thomas von
Aquin, hl. Karl Borromäus und hl. Franz von Sa-
les), begleitet von vier Denkern, Putten mit Attri-
buten und vier gemalten Büsten antiker Gelehr-
ter, auf die dadurch als Referenz verwiesen wird.
Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhun-
derts wurde in den slowenischen Ländern ein
Bildprogramm realisiert, das die Gelehrten-
EwigE PräsEnz dEr wissEnschaftlEr im öffEntlichEn raum 355
ni, in: Projekt univerzitetne biblioteke ljubljanske, Ljubljana 1933, s.p.) und später auch als Sapientia interpretiert
(M. Smolik, Umetnine v ljubljanskem Semenišču, in: Vis imaginis. Baročno slikarstvo in grafika. Jubilejni zbornik
za Anico Cevc (hrsg. von B. Murovec), Ljubljana 2006 (Zusammenfassung: Works of Art in the Diocesan Semina-
ry in Ljubljana), S. 139). Zuletzt analysierte die Ikonografie der Decke Ana Lavrič, die auch die vier Personifikatio-
nen als die vier Fakultäten überzeugend identifizierte (Lavrič, Štiri fakultete (zit. Anm. 12), S. 171–178).
18 M. Smolik, Semeniška knjižnica, Celje/Ljubljana 2010, S. 31.
19 Lavrič, Štiri fakultete (zit. Anm. 12), S. 173–178.
20 Freiherr von Schmidburg zieht konkrete Parallelen zwischen der Academia operosorum und ähnlichen Bestrebungen
Abb. 1: Giulio Quaglio, Deckengemälde der Seminarbiblio-
thek, Laibach, 1721, Fresko.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken