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ergenerationen studierten. Den charakteristi-
schen Ausdruck Myslbeks nannte man „monu-
mentalen Realismus“.9 Das Werk von Auguste
Rodin (1840–1917) und dessen essenzielle Bedeu-
tung für die moderne europäische Bildhauerei
braucht man an dieser Stelle nicht auszuführen.10
Das tschechische Milieu konnte sich mit der
Kunst Rodins erstmals in den Jahren 1900 und
1902 unmittelbar bekannt machen. Im Jahr 1900
wurde ihm eine Ausgabe der Zeitschrift Volné
Směry (Freie Richtungen) gewidmet und zwei
Jahre danach fand in Prag eine große Ausstel-
lung von Gipsabgüssen seiner Werke statt. Initi-
iert wurde beides von einem Zusammenschluss
junger tschechischer Künstler und Intellektuel-
ler, dem Verein der bildenden Künstler Mánes,
einem Partnerverein des Wiener Hagenbundes.
Die bedeutenden Aktivitäten des Vereins began-
nen in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts,
zeitgleich mit der kräftigen Abgrenzung gegen
die vorangegangene sogenannte Nationalthea-
ter-Generation.11 Zu eben dieser Generation ge-
hörte auch Myslbek. Von der im Sinne des Mo-
dernismus radikal gesinnten jungen Generation
wurden die realistisch beschreibenden Kunstfor-
men sowie das patriotische Sentiment und Pa-
thos als Zeichen des Provinzialismus kategorisch
abgelehnt. Für die jungen tschechischen Künst-
ler war es natürlich Frankreich, wohin man die
Studienreisen unternahm und woher man die
Inspiration schöpfte.
Der Bildhauer Stanislav Sucharda (1866–
1916) stammte aus der kleinen ostböhmischen
Stadt Nová Paka (Neupaka), aus einer Familie, deren handwerklich-künstlerische Tradition bis
ins Jahr 1790 zurückreicht.12 Das tschechisch-pa-
triotische Familienmilieu sowie die ein
heimische
Landschaft mit der alten Tradition der Sand-
steinskulpturen prägten Suchardas Mentalität.
Ein patriotischer (oder vielleicht national ge-
sinnter) Aspekt war also seit Suchardas Kindheit
präsent. Nová Paka war der letzte tschechisch-
sprachige Ort in der sonst vollkommen deutsch-
sprachigen Riesengebirge-Region. Sein Vater,
der Bildhauer Antonín Sucharda (1843–1911),
gründete hier den zweitältesten Sokol-Gau (pa-
triotisch-militärischer Turnverein) in Böhmen.
An dem Bau sowie der Ausschmückung des neu-
en Familienhauses mit Atelier beteiligten sich in
den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Nova
Paka alle Mitglieder der Sucharda’schen Fami-
lie: Eltern sowie alle Kinder. Im Rahmen eines
gemeinsam durchdachten patriotisch-künstleri-
schen Konzepts bevorzugte man natürlich die so-
genannte „tschechische Neorenaissance“– einen
Stil, den die tschechische Intelligenz als „ange-
messener“ erachtet; im Gegensatz zum disqualifi-
zierenden Neobarock, den man hier gewöhnlich
mit der Tragödie am Weißen Berg, der Rekatho-
lisierung und mit den Habsburgern verband. Es
gab aber nicht nur solche rein ideellen Stereo-
typen: Die Beziehungen zwischen der tschechi-
schen Umwelt und dem zentralistisch und anti-
slawisch wirkenden Wien waren wirklich nicht
freundschaftlich. Ein umso größerer Erfolg war
es, als Sucharda im Jahr 1892 – als frischer Ab-
solvent der Prager Kunstgewerbeschule – beim
Wettbewerb des Wiener Künstlerhauses für sein
František Palacký im Prager Pantheon und auF dem Platz 371
10 Z. B.: P. Wittlich, Auguste Rodin et la modernité tcheque, in: Opera Facultatis philosophicae Universitatis Caro-
linae Pragensis, 1, 2006, S. 117–137; M. Kuhlemann (Hg.), Vor 100 Jahren. Rodin in Deutschland, München 2006;
A. Husslein-Arco/S. Koja (Hg.), Rodin und Wien, München 2010; D. Viéville, Rodin, les métaphores du génie,
Paris 2014.
11 D. h. gegen die an der Ausschmückung des Prager Nationaltheaters – eines wichtigen Symbols der tschechischen
kulturellen Emanzipation – sich beteiligenden Künstler (vor allem Vojtěch Hynais, František Ženíšek, Václav Brožík
und J. V. Myslbek).
12 P. Wittlich, Scuplture of Czech Art Nouveau (zit. Anm. 6), S. 182–215; Martin Krummholz, Stanislav Sucharda
(1866–1916), Nová Paka 2006; derselbe: Stanislav Sucharda, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950,
Band 63, Wien 2012, S. 26–27; derselbe, Apoteóza národních hrdinů a českého pohanství. Pomníkové vize Stanislava
Suchardy, in: Kuthanová/Svatošova (zit. Anm. 7), S. 76–94, 315–317 (deutschsprach. Zusammenfassung).
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken