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RäumepopulärerKultur inWien,BudapestundNewYork 53
Einkaufsmöglichkeiten,GebetshäusernundSchulen.Siewarendementspre-
chend inAktivitätendesAlltages eingebunden.Varieté, Etablissement und
OrpheumwarenTreffpunktundermöglichtenBegegnungenundKontakte.
DieBesucher*innensuchtendieSpielstättenauf,umsichzuamüsieren,even-
tuell,umzuessenoderzutrinkenundumingeselligerRundeunterhaltenzu
werden.
DieneuemobilePraxisundderzunehmendinternationaleCharakterpopulä-
rerKulturkonterkarriertengelegentlichVorwürfe,denennachdie„Volkskultur“
in früherZeitennoch„regional“gewesensei. ImWienderzweitenHälftedes
19. JahrhundertswaresgeradedieVolkssängerszene,diebesondersstarkan
‚eigenen‘Traditionen ‚Alt-Wiens‘ festhieltundsichexklusivpräsentierte.Zeit-
genössischeDarstellungenüberdieWienerVolkssänger*innenproklamierten
einenBruchzwischender„altenundneuenZeitdesVolkssängerthums“.Die
„neueZeit“hättedenUntergangderVolkssänger*innenbedeutet.Mantrauerte
somitnichtnurdemaltenErscheinungsbildvon‚Alt-Wien‘ selbstnach, son-
dernauchder„gutenaltenZeit“desVolkssängertums.6 IneinerDarstellung
desWienerVolkssängers JosefKoller (1872–1945) kamdasMiterlebender
VeränderungpopulärerKulturprägnantzumAusdruck.Volkssänger*innen
tratennichtmehrallein inGasthäusernauf, sondernwarenTeilvongrößeren
Programmen,die inneuentstandenenVarietés,Singspielhallenundanderen
Etablissementsdargebotenwurden.SiebestandenmeistausZuschauerbereich,
indemStühleumkleineTischeherumarrangiertwaren,undBühne.Geöffnet
hattendieseEinrichtungenoftabdenfrühenNachmittagsstunden,Programme
wurdenmehrmalstäglichwiederholtundwechseltenimWochenrhythmus.Die
ZusammenstellungderProgrammewarsokonzipiert,dassderVarietébesuch
fürdasPublikumeineRoutineseinkonnte,ohnedasssichdasDargebotene
wiederholte.
EingroßerTeilderpopulärenUnterhaltungsszenebefandsich indendrei
Städten inals jüdischkonnotiertenStadtteilen.Allerdings,wie jüdischesLeben
nichtaufeinzelneStadtteile reduziertwerdenkonnte,verteiltensichauchdie
RäumepopulärenAmüsementsüberdieganzeStadt.Besondersdichtgedrängt
warenEtablissements,Varietés,OrpheenundSingspielhallen inderWiener
Leopoldstadt, imBudapesterBezirkErzsébetváros (Elisabethstadt)undander
BoweryderNewYorkerLowerEastSide.Sie fandensichgenauso indenande-
renStadtteilen.Auchwaren,wieVorbehaltesuggerierten,dieStättenpopulärer
KulturnichtausschließlichanderPeripherieangesiedelt, sonderngleicherma-
ßenindenStadtzentrenwie indenäußerenBezirkenpräsent.DieProgramme,
6 JosefKoller,DasWienerVolkssängertuminalterundneuerZeit:NacherzähltesundSelbst-
erlebtes,mitBiographien,Episoden, Liedern, zahlreichenAbbildungenundPorträts nach
zeitgenössischenBildernausdemVolkssängerleben(Wien:GerlachundWiedling,1931),190.
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
https://doi.org/10.7767/9783205211884 | CC BY 4.0
Auf die Tour!
Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
Zwischen Habsburgermonarchie und Amerika
- Title
- Auf die Tour!
- Subtitle
- Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
- Author
- Susanne Korbel
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21188-4
- Size
- 15.9 x 24.0 cm
- Pages
- 272
- Category
- Kunst und Kultur