Page - (000057) - in Autonomes Fahren - Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Image of the Page - (000057) -
Text of the Page - (000057) -
453.4
Zwischen Wunderbarem und Unheimlichem
In den 1930er-Jahren traten verschiedene Ableger dieses ferngesteuerten Automobils in
der Öffentlichkeit auf. Zum einen wurde es wegen seiner aufmerksamkeitsökonomischen
Qualitäten als kommerzieller Werbeträger eingesetzt. Zum anderen bekam es unter der
Leitung des Funktechnikers Captain J. J. Lynch eine führende Rolle bei sogenannten Safety
Parades (s. Abb. 3.2) für die Straßenverkehrssicherheit.
Von 1931 bis 1940 führte Lynch das ferngesteuerte Fahrzeug in 37 von 48 US-Bundes-
staaten vor. 1934 zeigte er den Wagen sogar in Australien. Bremse, Lenkung und Hupe des
vor ihm fahrenden Fahrzeugs betätigte er mithilfe einer Morsetaste. Der Code wurde über
eine kugelförmige Antenne empfangen, es gibt aber auch Berichte über ein Kabel zwischen
den Fahrzeugen. In Buffalo und auf dem Utica Airport wurde das Auto 1933 sogar von
einem Flugzeug aus ferngesteuert.
Für Verkehrssicherheitskampagnen bot sich das fahrerlose Auto in geradezu idealer
Weise an. Die Sicherheit des modernen Automobils hänge vom Fahrer ab, betonte Lynch
anlässlich einer Fahrsicherheitskampagne. Da das fahrerlose Automobil alle Verkehrs-
regeln beachte, diene es den Autofahrern als Vorbild.
3.4 Zwischen Wunderbarem und Unheimlichem
Die Presse kündigte das ferngesteuerte Automobil als phantom auto [29], robot car [31]
oder magic car [30] an. Diese Metaphern zeigen, dass das fahrerlose Automobil schon früh
als fantastisches Objekt wahrgenommen wurde. Es nimmt bis heute genau jenen Platz
zwischen Wunderbarem und Unheimlichem ein, den Tzvetan Todorov der phantastischen
Literatur zuschrieb [39].
„Wir sausten los, ohne daß jemand das Steuerrad hielt, flitzten um Ecken, wichen andern
ebenso feinen Kraftkutschen aus, niemand hupte.“ ([16], S. 7f.). Der deutsche Schriftsteller
Abb. 3.2 Ferngesteuertes Fahrzeug bei einer Safety Parade (USA 1930er-Jahre) [30]
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung