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493.7
Der selbst gesteuerte Verkehr im Futurama von General Motors
eingesetzte Fluchtpunkt betont die Aussage dieses Bildes: Indem er sich mit dem Betrach-
ter bewegt und somit unerreichbar ins Nirgendwo flüchtet, besitzt er eine Affinität zum
Utopischen.
Des Weiteren unterstreicht der überaus hoch liegende Augenpunkt die Bedeutung des
Panoramas. Der Blick auf die Autobahn scheint aus der Perspektive eines Heißluftballons
zu stammen. Die visuelle Distanz unterstreicht den Entwurfscharakter dieser Vision, die
wir mit Ernst Bloch eine utopische „Wunschlandschaft“ ([5], S. 935) nennen können.
Popular Science erläutert die im Artikel aufgezeigte Vision mit Berufung auf Miller
McClintock (1894–1960), Direktor des Büros für Street Traffic Research der Harvard
Universität. McClintock war einer der wichtigsten Vordenker der US-Verkehrsplanung
[27]. In seiner Dissertationsschrift Street Traffic Control analysierte er bereits 1925 die
Ursachen für Staus und Unfälle und entwickelte neue Verkehrsregeln und Straßenbau-
maßnahmen [22].
Ein bedeutsamer Anstoß für das automatische Fahren kam von einer großen Mineral-
ölgesellschaft: Im Frühjahr 1937 brachte der Mineralölkonzern Shell McClintock mit dem
Stromlinienpionier Norman Bel Geddes zusammen. Für eine Shell-Werbeanzeige sollten
sie gemeinsam ein Modell der City of Tomorrow entwerfen ([27], S. 249). Bel Geddes hatte
schon 1932 in seinem Buch Horizons über Urbanismus und Autodesign geschrieben [4],
aber erst der Shell-Auftrag brachte ihn dazu, die Vision eines automatischen Highways zu
entwickeln. Im Mai 1938 gelang es Bel Geddes dann, den GM-Konzern davon zu über-
zeugen, das Shell-Modell für die New Yorker Weltausstellung von 1939 weiterzuent-
wickeln.
3.7 Der selbst gesteuerte Verkehr im Futurama von General Motors
„Strange? Fantastic? Unbelievable? Remember, this is the world of 1960!“ ([9], S. 8). Auf
der World’s Fair erhielt die Utopie des fahrerlosen Automobils erstmals eine große Bühne.
Building the World of Tomorrow lautete das Motto der Messe, die eine technologisch ver-
besserte Zukunft versprach, während der Alltag von wirtschaftlicher Depression und
Ahnungen eines drohenden Krieges geprägt war. Die populärste Show der World’s Fair
war das heute legendäre Futurama von GM mit seinem Modell des Verkehrs der Zukunft.
Der Begriff Futurama ist vom griechischen horama (dt.: Sicht) abgeleitet. Um in die Zu-
kunft sehen zu können, mussten die Messebesucher das von dem Architekten Albert Kahn
(1869 –1942) entworfene stromlinienförmige Gebäude über gebogene Rampen betreten,
in deren Ästhetik neben den künftigen Superhighways die schon genannte utopische Fort-
schrittsbahn wiederzuerkennen war.
Im Inneren standen 552 Plüschsessel bereit, die auf ein Fließband montiert waren. In
ihnen schwebten die Besucher 16 Minuten lang über eine 3000 Quadratmeter große, gigan-
tische Modelllandschaft, die Bel Geddes entworfen hatte. Das sieben Millionen Dollar
teure Diorama umfasste eine halbe Million Häuser, eine Million Bäume und 50.000 Spiel-
zeugautos ([21], S. 110; [25], S. 74). Über Lautsprecher wurde den Besuchern erläutert, was
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung