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Das automatisierte Fahren im
Kontext58
in unbewusste Faktoren, die entscheidend zur Akzeptanz oder zur Ablehnung neuer Tech-
nologien beitragen. Außerdem zeigt sich in ihnen der Wandel in der öffentlichen Wahrneh-
mung selbstfahrender Automobile. Besonders interessant ist die Bewertung verschiedener
Mensch-Maschine-Schnittstellen.
3.15 Vom freundlichen Helfer zur Killermaschine
Das selbstfahrende Automobil tritt erstmals Ende der 1960er-Jahre im Spielfilm auf: Als
freundlicher, wenn auch eigensinniger Helfer begeistert Herbie, The Love Bug (1968) von
Robert Stevenson in Disneys Komödie das Publikum. Der kleine anthropomorphe Renn-
käfer hat ein Eigenleben: Er bewegt sich von selbst, verliebt sich in ein anderes Auto, will
aus Eifersucht Selbstmord begehen, torkelt betrunken, zittert vor Wut, fiept wie ein Hund,
hat Fieber. Da Herbie nicht sprechen kann, werden seine Gefühle über die Kommentare
seines Mechanikers veranschaulicht, der ihn zu verstehen scheint. Das selbstfahrende Auto
wird als verlebendigtes, maschinales Ebenbild des Menschen gezeigt und dient als Meta-
pher für die merkwürdige, intensive, intime Beziehung des Menschen zum Automobil.
Herbie fällt in die Kategorie des „rein Fantastischen“, wie sie Tzvetan Todorov definiert
hat [39], denn der Film liefert nie eine mechanische Erklärung für das Verhalten des
Wagens. Noch ist das fahrerlose Automobil wie in Illings Roman von 1930 ganz dem
Wunderbaren zuzurechnen und hat nichts Unheimliches an sich.
Bald darauf ändert sich das grundlegend: Zwei Jahre vor der Energiekrise 1973 jagt ein
riesiger Tanklastwagen in Steven Spielbergs erstem Spielfilm Duell einen unschein-
baren Handelsvertreter durch die Berge der kalifornischen Wüste. Infernalisch dröhnt die
Trucker-Fanfare dem Opfer im Nacken, grollend verschluckt der Motorenlärm das Dudeln
des Radios. Der Mensch ist hier hilflos der Maschine ausgeliefert. Jeder Fluchtversuch
scheitert. Zwar wird der Lastwagen von einem Menschen gesteuert, wir bekommen den
Fahrer aber nie zu Gesicht. So wird die Maschine mit ihren starren Scheinwerferaugen zum
eigentlichen Jäger.
Mit Herbie und Duell sind die zwei Archetypen fahrerloser Automobile geschaffen, die
in den 1970er-Jahren dann ausgeschmückt werden. Herbie bekommt bis 1980 drei Fort-
setzungen. Die deutsch-schweizerische B-Film-Serie Dudu (1971–1978) inszeniert in
Ein Käfer auf Extratour (1973) ein Fahrzeug mit künstlicher Intelligenz, das angeblich
US-Produzent Glen A. Larson zu der Serie Knight Rider inspiriert haben soll, auf die wir
später noch zu sprechen kommen.
Parallel dazu beutet der Horrorfilm das Bedrohungspotenzial des fahrerlosen Autos aus.
The Car (1977) treibt Spielbergs Duell weiter. Eine diabolische schwarze Limousine terrori-
siert die Einwohner einer Kleinstadt. Mit verdunkelten Scheiben, eng stehenden, stechenden
Scheinwerfern, verchromten Stoßstangen in der Form eines Rammbocks und dem Motoren-
gebrüll eines Raubtieres wird das fahrerlose Auto zu einer Personifizierung des Bösen.
Mit Christine (1983) erreicht das sich selbst steuernde Auto dann den Anti-Herbie-Zenit
des Horrorfilms: John Carpenters Verfilmung von Stephen Kings Roman beschreibt, wie
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung