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Wechselwirkung Mensch und autonomer
Agent108
Das Führen eines Fahrzeugs verlangt vom Fahrer eine große Spannbreite an Kompe-
tenzen und Fertigkeiten sowohl auf perzeptuell-motorischer Ebene (z. B. Lenken, Schalten
etc.), als auch auf kognitiver Ebene (z. B. Entscheidungen treffen, Aufmerksamkeit selektiv
richten etc.). Die automatisierte Ausführung dieser Aufgaben kann zum Verlust dieser
Kompetenzen führen und gleichzeitig die Abhängigkeit vom technischen System erhöhen
[37]. Die grundsätzliche Brisanz des Themas wird anhand einer aktuellen Sicherheits-
mitteilung der Bundesluftfahrbehörde der Vereinigten Staaten (Federal Aviation Adminis-
tration, [38]) deutlich. Darin werden Piloten aufgefordert, häufiger den manuellen Flug-
modus anstatt den Autopiloten zu wählen, da der Kompetenzverlust ein zunehmendes
Sicherheitsrisiko für die Luftfahrt darstellt. Obgleich nach Kenntnis des Autors aktuell
keine longitudinale Fehlstudien zu den Problemen des Fertigkeitsverlusts in (teil-)auto-
matisierten Fahr zeugen vorliegen, „deuten die Ergebnisse erster Untersuchungen im Fahr-
simulator darauf hin (z.B. [68],“ dass diese Effekte auch im Kontext der Fahrzeugautoma-
tisierung auftreten. Adaptive oder kooperative Automatisierungskonzepte bieten die Mög-
lichkeit, derartigen Problemen entgegenzuwirken und bis zur Realisierung vollständig
autonomer Fahrzeuge wichtige Kompetenzen der Fahrer weiterhin aufrechtzuerhalten.
Der Fähigkeit, komplexe und dynamische Fahrsituationen richtig wahrzunehmen und zu
interpretieren, liegt eine Reihe von kognitiven Prozessen (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis,
mentale Modelle) zugrunde [12]. Monotone Überwachungsaufgaben oder die Ablenkung
durch andere Tätigkeiten (z. B. Telefonieren) können dazu führen, dass diese Prozesse nicht
mehr in ausreichendem Maße für das Situationsbewusstsein im Fahrzeug zur Verfügung
stehen. Diese Effekte können bereits durch die Nutzung von Systemen mit niedrigem Auto-
matisierungsgrad wie Adaptive Cruise Control (ACC) auftreten. Buld et al. [39] konnten
zeigen, dass Fahrer während der Nutzung von ACC einige Aspekte der Fahraufgabe und
Umgebungsbedingungen vernachlässigten und in Folge die Systemgrenzen falsch interpre-
tierten. Verschlechterte Spurhaltung und verspätete Reaktion auf kritische Ereignisse wurden
in einer Untersuchung von Ward [40] als Indikatoren reduzierten Situa
tionsbewusstsein beim
Fahren mit ACC interpretiert. Die Analysen von Ma und Kaper [41] deuten jedoch darauf
hin, dass sich das Situationsbewusstsein infolge der Nutzung von ACC auch verbessern kann.
Ein differenzierteres Bild dieser widersprüchlichen Ergeb
nisse liefern aktuelle Studien zu
den Folgen hochautomatisierten Fahrens. Merat et al. [42] haben in einer Simulationsstudie
die Effekte der Ausführung einer Nebenaufgabe auf das Fahrverhalten automatisierter Fahrt
untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Reaktionen auf kritische Ereignisse unter der hochau-
tomatisierten und der manuellen Fahrbedingung ohne Nebentätigkeit vergleichbar waren.
Während hingegen die Ablenkung durch Nebentätigkeiten dazu führte, dass nach der manu-
ellen Übernahme der automatisierten Fahrt deutlich höhere Geschwindigkeiten gefahren
wurden. Die Autoren führen die Ergebnisse auf das reduzierte Situationsbewusstsein zurück,
das durch die nebentätigkeitsbedingte Aufmerksamkeitsverschiebung verursacht wird.
Die hier dargestellten Problembereiche stellen nur einen Ausschnitt der zu lösenden
Herausforderungen im Zusammenspiel zwischen Mensch und automatisiertem Fahrzeug
dar. Viele Fragen hinsichtlich der mentalen Anpassungen und Veränderungen werden erst
durch konkrete technische Umsetzung und wissenschaftliche Untersuchung der nächst
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung