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Kommunikationsprobleme zwischen autonomen Fahrzeugen und menschlichen
Fahrern138
7.6 Mit welchem mentalen Modell
werden andere Verkehrsteilnehmer auf Fahrfehler
von autonomen Fahrzeugen reagieren?
Nahe verwandt mit der vorher genannten Interaktion und Verhandlung ist die Kompensa-
tion von Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer. Neben der Vermeidung von unmittelbaren
Kollisionen durch Ausweichtrajektorien gehört die Toleranz der Fahrfehler anderer zum
alltäglichen Straßenverkehr. Zunächst muss geklärt werden, was unter „Fahrfehlern“ zu
verstehen ist. Fahrfehler können aus Sicht eines menschlichen Fahrers streng regelkon-
formes, aber situationsangepasst nicht optimales Verhalten darstellen.
So kann beispielsweise ein Fahrzeug mit einem menschlichen Fahrer, das sich auf einer
bevorrechtigten Straße befindet, das autonome Fahrzeug aus der untergeordneten Straße
zunächst passieren lassen, weil es sonst nicht in die untergeordnete Straße einbiegen
könnte. Der menschliche Fahrer würde also auf sein regelkonformes Vorfahrtsrecht ver-
zichten, was vom autonomen Fahrzeug sicher erkannt werden müsste.
Fahrfehler können aber auch Defizite im Verhaltensrepertoire des autonomen Fahrzeugs
zur Lösung spezieller Situationen oder das Erreichen von Systemgrenzen sein.
Beispiel
Ein autonomes Fahrzeug geht im Modus „Staupilot“ in einen sicheren Zustand, weil die
Systemgrenzen erreicht sind. Das bedeutet: Das Fahrzeug bremst in den Stillstand. Obwohl
prinzipiell das Bremsen bis in den Stillstand im Stau häufig vorkommt, werden die übrigen
Verkehrsteilnehmer zumindest verwirrt sein, wenn alle anderen Fahrzeuge fahren und
nur das autonome stehen bleibt. Erfolgt das Manöver relativ abrupt und (für andere) aus
nicht ersichtlichem Grund, so kann daraus eine Gefährdung entstehen. Allerdings sollte
man berücksichtigen, dass sich im aktuellen Straßenverkehr Verkehrsteilnehmer auch nicht
fehlerlos verhalten und ihre Fehler meist durch andere kompensiert werden. Somit stellt
sich die Frage: Welche Eigenschaften weisen Menschen den autonomen Fahrzeugen zu.
Werden sie eher als weniger kompetent im Vergleich zu menschlichen Fahrern ein geschätzt,
oder gelten sie als perfekt funktionierende Automaten?
Ziel einer Einführungsstrategie muss die Prägung eines positiven und zugleich realisti-
schen Bildes autonomer Fahrzeuge im Bewusstsein aller Verkehrsteilnehmer sein. Dann,
und nur dann werden autonome Fahrzeuge einen adäquaten Platz im System Verkehr ein-
nehmen. Die Voraussetzungen hierfür sind prinzipiell gegeben. So ist aus Umfragen zu
neuen Technologien wie etwa der Robotik bekannt, dass Europäer eine positive Einstellung
gegenüber Robotern aufweisen [12]. Auch Fahrerassistenzsysteme, als Vorstufe zu
hoch automatisierten und schließlich autonomen Fahrzeugen, erfreuen sich mittlerweile
eines hohen Ansehens als nützliche Helfer und werden zunehmend von den Käufern nach-
gefragt [13].
Neben der Einstellung gegenüber technischen Systemen ist die Zuweisung von Fähig-
keiten und Eigenschaften neuer technischer Systeme vom Wissensstand der Nutzer abhän-
gig. Naive Verhaltensmodelle von technisch nicht versierten Personen weisen technischen
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
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