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Die Freigabe des autonomen
Fahrens440
21.1 Einleitung
Die Funktionen des autonomen Fahrens könnten in Zukunft den gesamten Straßenverkehr
grundlegend verändern; dafür müssen diese in einer großen Stückzahl und somit als Serien-
produkte zum Einsatz kommen. Im Allgemeinen ist für den Übergang eines technischen
Systems von der Entwicklungsphase in die Serienproduktion die Freigabe dieses Systems
notwendig [1]. Nach den Grundsätzen des Projektmanagements erfolgt die Freigabe erst
dann, wenn die zuvor definierten Anforderungen von diesem technischen System erfüllt
werden. Diese Anforderungen haben unterschiedlichste Ursprünge, wie beispielsweise
Kunden, Normen oder Gesetze. Verschiedene Bereiche werden durch die Anforderungen
adressiert: Darunter fallen nicht zuletzt aus Gründen der Typgenehmigung1 als auch der
Produkthaftung2 Anforderungen an die Sicherheit des technischen Systems.
Die Sicherheit des Menschen im öffentlichen Straßenverkehr ist eine der viel zitierten
Motivationen für die Fahrzeugautomatisierung, denn die weit überwiegende Zahl der ak-
tuellen Unfälle wird durch den menschlichen Fahrer verursacht. Aus dieser Motivation
folgt die Anforderung, dass die Substitution des Menschen die Sicherheit im öffentlichen
Straßenverkehr nicht mindert. Dies soll sowohl für den Insassen als auch für das gesamte
Verkehrssystem gültig sein, in dem sich das autonome Fahrzeug bewegt. Was diese An-
forderung bedeutet und ob sie tatsächlich bei Einführung gestellt wird, steht im Fokus der
folgenden Diskussion.
Überlegungen von Gasser et al. [4] liefern hierzu einen Einstieg: Der Bericht der
Bundesanstalt für Straßenwesen betrachtet die Entwicklung der Unfallzahlen mit Einfüh-
rung der Fahrzeugautomatisierung. Ausgehend von der Gesamtzahl der Unfälle bei kon-
ventioneller Fahrzeugführung (s. Abb. 21.1 blaues und grünes Feld) wird angenommen,
dass Unfälle (grünes Feld) durch die Fahrzeugautomatisierung vermieden werden. Zusätz-
lich könnten jedoch neue Unfälle aufgrund von Automatisierungsrisiken entstehen (gelbes
Feld).
Bei dieser Darstellung wird nicht nach der Schwere des Unfalls unterschieden; jedoch
ist die Schwere eines Unfalls bei Betrachtung der Auswirkungen auf die Sicherheit eben-
falls von Relevanz. Sicherheit wird allgemein als Abwesenheit von unangemessenen Risi-
ken beschrieben. Dieses Risiko ist definiert als Produkt aus Wahrscheinlichkeit für einen
Unfall und Schadenschwere infolge des Unfalls.
Abb. 21.2 illustriert dieses theoretische Risikovermeidungspotenzial abhängig von
der Schwere eines Unfalls in qualitativer Weise. Sie folgt dabei den Erkenntnissen von
1 Im Sinne der Richtlinie 2007/46/EG [2] bezeichnet der Ausdruck „… ,Typgenehmigung‘ das
Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs (…) den ein-
schlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht“.
2 Reuter schreibt: „Die (deliktische) Produkthaftung dient dem Schutz von jedermann (Produkt-
nutzer sowie unbeteiligte Dritte) vor unsicheren Produkten. Die Produkthaftung regelt den Ersatz
von Folgeschäden, die als Folge der Verletzung von Gesundheit oder Eigentum durch Produkt-
fehler verursacht wurden.“ [3]
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung