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Grundlegende und spezielle Rechtsfragen für autonome
Fahrzeuge552
Straßenverkehrsrechts bei ihrer Entstehung und Weiterentwicklung bislang nur Erwägun-
gen zugrunde legen konnten, die zum Regelungszeitpunkt regelungsbedürftig waren. Im
Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs hat sich die Frage autonomer Fahrzeuge bislang
nicht gestellt – auch nicht angesichts heute marktverfügbarer Fahrerassistenzsysteme
(s. Abschn. 25.4.1): Es war bislang immer davon auszugehen, dass ein Fahrer die Fahrzeug-
steuerung mindestens im Sinne der redundant-parallelen Aufgabenwahrnehmung noch
ausführt. Zieht man demgegenüber autonomes Fahren in Betracht, liegt darin ein Wechsel
von grundlegender Bedeutung hin zur eigenständigen maschinellen Fahrzeugsteuerung.
25.5.1 Automatisierungsrisiko
Für autonome Fahrzeuge wird angenommen, dass „Hardware-Ausfälle und Software-
Fehler … auch bei autonom fahrenden Fahrzeugen auftreten [können]“, wobei diese „nach
aktuellem Stand der Technik“ entwickelten Fahrzeuge als „… mindestens so zuverlässig
und sicher … wie es heutige Fahrzeuge sind“ eingestuft werden. Im Weiteren wird aber
zugleich deutlich, dass diesbezüglich noch erhebliche Unsicherheit herrscht, da die
„Erfolgsquote“ bei der Fahrzeugführung als „ähnlich der menschlichen Qualität und Er-
folgsquote“ angenommen wird, dies aber derzeit eine vorsichtige erste Einschätzung von
Experten darstellt, die nur als Diskussionsgrundlage für das vorliegende Projekt dient
(s. Kap. 2). Tatsächlich kann also die Leistung maschineller Fahrzeugsteuerung heute noch
nicht abschließend beurteilt werden; anzunehmen ist aber, dass einerseits ein Automatisie-
rungsrisiko verbleiben wird, dieses andererseits jedoch nicht höher liegt als das resultieren-
de Risiko menschlicher Fahrzeugführung.
25.5.1.1 Das Automatisierungsrisiko vor dem Hintergrund der Grundrechte
Nimmt man dieses somit für möglich gehaltene Automatisierungsrisiko in den Blick und
zieht die Situation bezogen auf das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
im heutigen Straßenverkehr mit heran (s. Abschn. 25.3), wird deutlich, dass der Wandel
von menschlich kontrollierter zu eigenständiger, maschineller Fahrzeugsteuerung als
„wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“ angesehen werden dürfte [11]. Auf-
grund des erheblichen Eingriffs, den ein solches, neuartiges Automatisierungsrisiko in das
Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bedeuten würde, ist es als wahr-
scheinlich anzusehen, dass eine Entscheidung über die Ermöglichung autonomer Fahrzeu-
ge und damit über ein eigenständiges maschinelles Automatisierungsrisiko im Straßenver-
kehr dem Gesetzgeber obliegt. Der Gesetzgeber wäre verpflichtet, die wesentlichen Ent-
scheidungen selbst zu treffen, was sich aus dem Demokratieprinzip und Rechtsstaatsgebot
ergibt. Die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen dürften somit
nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen werden [12].
Diese Argumentation stellt die Neuartigkeit eines solchen Automatisierungsrisikos in den
Mittelpunkt, weil hiermit die Fahrzeugsteuerung insgesamt revolutioniert würde. Zugleich
ist aber einschränkend festzustellen, dass die realistisch zu erwartende Einführung automa-
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung