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Gesellschaftliche Risikokonstellationen für autonomes Fahren
in den 1980er-Jahren sind allein in Deutschland Millionen von Arbeitsplätzen zum Opfer
gefallen, vorwiegend im Bereich einfacher mechanischer Tätigkeiten. Es war eine er-
hebliche gesellschaftliche Anstrengung erforderlich, um durch Qualifizierung und Um-
schulung wenigstens einem Teil der Betroffenen andere Tätigkeitsfelder zu ermöglichen.
Gegenwärtig gibt es Befürchtungen, dass die nächste Welle der Automatisierung auch an-
spruchsvollere Tätigkeiten überflüssig machen könnte. Auf der positiven Seite stehen bei
Automatisierungsschritten die Entstehung neuer Tätigkeitsfelder und Arbeitsmöglichkei-
ten, sodass die Gesamtbilanz nicht unbedingt negativ sein muss. Jedoch sind diese neuen
Tätigkeitsfelder in der Regel nur für höher qualifizierte Mitarbeiter zugänglich.
Eine umfassende Realisierung des autonomen Fahrens hätte zweifellos Auswirkungen
auf den Arbeitsmarkt. Betroffen wären primär Fahrerinnen und Fahrer von Fahrzeugen, die
bisher manuell bedient werden: Lastwagenfahrer, Taxifahrer, Mitarbeiter von Logistik- und
Zustellunternehmen, insbesondere im Use-Case des „Vehicle on Demand“ (s. Kap. 2). Eine
gar vollständig auf autonomes Fahren umgestellte Mobilitätswelt würde weitgehend ohne
diese Berufe auskommen. Auf der anderen Seite könnten neue Berufsfelder in der Steue-
rung und Überwachung des autonomen Verkehrs entstehen, würden in Entwicklung, Test
und Herstellung der entsprechenden Systeme hoch qualifizierte Mitarbeiter benötigt, vor
allem in der Zulieferindustrie.
Damit ergibt sich hier ein ähnliches Spannungsfeld wie oben für die bisherigen Wellen
der Automatisierung geschildert: Wegfall eher einfacher Arbeitsplätze und das Entstehen
neuer, höher qualifizierter Positionen. Über das quantitative Verhältnis lässt sich aus
heutiger Sicht wohl nichts aussagen. Klar ist jedoch aufgrund der hohen Zahl der mögli-
cherweise Betroffenen, dass frühzeitig über pro-aktive Maßnahmen zum Umgang mit
dieser Entwicklung nachgedacht werden muss, z. B. durch Entwicklung und Angebot von
Qualifizierungsmaßnahmen. Da davon auszugehen ist, dass die Integration des autonomen
Fahrens in das gegenwärtige Verkehrssystem allmählich erfolgt und weil Erfahrungen aus
anderen Automatisierungsvorgängen vorliegen, dürften die Voraussetzungen hier recht gut
sein. Um eventuell für den Arbeitsmarkt problematische Entwicklungen frühzeitig zu
erkennen, ist entsprechende Forschung und die Kooperation von Gewerkschaften, Arbeit-
geber und Arbeitsagentur zur Beobachtung aktueller Entwicklungen erforderlich.
30.3.5 Risikokonstellation Zugangsgerechtigkeit
Das autonome Fahren verspricht mehr Zugangschancen für mobilitätseingeschränkte Per-
sonen, z. B. ältere Menschen. Während dies offensichtlich auf der ethischen Habenseite
steht, könnte es auch zu Gerechtigkeitseinbußen kommen, die als „mögliche Schäden“ eben
auch als Risiken zu bezeichnen wären. Hierzu gehören vor allem gelegentlich geäußerte
Sorgen um eine Kostensteigerung individueller Mobilität durch die Kosten des autonomen
Fahrens. In einem Mischsystem könnte man diesen Sorgen entgegenhalten, dass ja die
Alternative des traditionellen Selbstfahrens weiter besteht und es also keine Verschlechte-
rung geben würde.
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung