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Gesellschaftliche Risikokonstellationen für autonomes Fahren
versorgung, Kommunikationssystemen, Energiesystemen und möglicherweise weiteren,
bisher getrennt funktionierenden Infrastrukturen stellt eine der großen Herausforderungen
der nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte dar. Es wird darum gehen, Grenzen zwischen
Privatheit und Öffentlichkeit neu zu definieren und die Entscheidungen dann auch umzu-
setzen. Dies muss auf der politischen Bühne erfolgen und ist von demokratietheoretischer
Bedeutung, da die absolute Transparenz nur Kehrseite eines totalitären Systems wäre. Das
autonome Fahren ist in dieser Auseinandersetzung vermutlich von nur geringer spezifischer
Bedeutung.
30.3.7 Risikokonstellation Abhängigkeit
Moderne Gesellschaften sind zunehmend vom reibungslosen Funktionieren von Technik
abhängig. Dies beginnt mit der Abhängigkeit vom individuellen Computer und Auto und
reicht bis hin zur vollständigen Abhängigkeit von einer funktionierenden Energiever-
sorgung und dem Funktionieren der weltweiten Datenkommunikationsnetze und Datenver-
arbeitung als Voraussetzung der globalen Wirtschaft. Komplexer werdende Infrastrukturen
wie z. B. die Elektrizitätsversorgung, die durch erneuerbare Energieträger immer stärker
mit fluktuierendem Angebot umgehen muss, beinhalten verstärkt „systemische Risiken“
[15], welche aus kleinen Ursachen durch komplexe Verkettungen und positive Rückkopp-
lungen zu Systeminstabilitäten führen können. Diese immer häufiger thematisierte Anfäl-
ligkeit gegenüber technischem Versagen und zufälligen Ereignissen, aber auch gegenüber
terroristischen Angriffen auf die technischen Lebensnerven der Gesellschaft (z. B. in Form
eines Cyber-Terrorismus als Angriff auf das informationstechnische Rückgrat der globali-
sierten Ökonomie), stellt eine nicht intendierte und unerwünschte, gleichwohl unvermeid-
liche Folge der beschleunigten Technisierung dar [10]. Hierbei handelt es sich um Risiken,
die sich mehr oder weniger schleichend einstellen, die vielfach nicht bewusst unter expli-
ziten Verfahren einer Risiko-Chance-Abwägung in Kauf genommen werden, sondern die
möglicherweise erst dann ins öffentliche Bewusstsein treten, wenn die Abhängigkeit fühl-
bar wird, etwa bei einem längerfristigen Blackout der Stromversorgung, der praktisch alles
gesellschaftliche Leben lahm legen würde [12].
Bei einer weitgehenden Umstellung der Mobilität auf autonomes Fahren würde selbst-
verständlich ein großer Teil der gesellschaftlichen Mobilitätsbedürfnisse vom Funktionie-
ren dieses Systems abhängen. Ein Zusammenbruch wäre dann noch tragbar, wenn es
genügend Menschen gibt, die die Fahrzeuge auch manuell bedienen können. In einem
System, das etwa beim individuellen Personenverkehr eine Umschaltung von autonom auf
manuell erlaubt, wäre dies kein Problem. Falls jedoch beispielsweise weite Teile der
Logistik und des Güterverkehrs auf autonome Systeme umgestellt würden, wäre schwer
vorstellbar, für den Fall eines länger andauernden Komplettausfalls des Systems ein um-
fangreiches Fahrpersonal vorzuhalten, zumal die Fahrzeuge dann auch so ausgestattet sein
müssten, dass sie manuell betrieben werden können. Auch wenn wesentliche Logistik-
ketten durch einen Systemausfall für längere Zeit unterbrochen würden, könnte es recht
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung