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1. Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
1 610 schrieb der Arzt Hippolyt Guarinoni in seinen »Grewel der Verwüstung
Menschlichen Geschlechts« von den Schweiß- und Dampfbädern, dass »da-
rauff der gemein Böffel und vil ansehenliche Burger aller Stätten dermassen
steiff und starck halten, daß sie vermeyneten, viel verloren und verabsaumbt zu haben,
wann sie nit alle Sambstag vor dem Sonntag oder alle Feyrabend vor den Fest- und
Feyrtägen in das gemeine feil oder besondere Schweißbad gehen, schwitzen, sich rei-
ben, fegen, butzen und abwaschen lassen sollten«. Es sei »kein Stadt, kein Marckt, kein
Dorff so gering, welches nicht sein Bad habe.« Hinzu kämen noch die Bäder, welche
»die ansenlichen selbsten in ihren Häusern besonders haben«.10 Mögen auch noch um
1600 in der Salinenstadt Hall, wo Guarinoni lebte, die »gemeinen« Bäder eifrig besucht
worden sein,11 für viele andere Städte traf das nicht mehr zu. Die Blütezeit ihrer öffent-
lichen Bäder war damals vorbei, der Zulauf hatte schon mehr oder weniger stark nach-
gelassen. In früherer Zeit sah das jedoch ganz anders aus.
Als im 12. Jahrhundert die öffentlichen Dampf- oder Schwitzbäder in den Städten
aufkamen,12 war das nicht ein Wiederaufleben der alten römischen Thermenherrlich-
keit, stellte auch nicht ein Anknüpfen an die Baderäume des Adels und der Klös-
ter mit ihren Sitzbädern und Zubern dar, sondern bedeutete in unseren Breiten eine
Übernahme der Hofbadestuben des bayerischen Alpen- und Voralpenlandes, deren
Tradition bis ins Frühmittelalter zurückreicht. Sie waren einfache Holzhütten mit einer
Feuerstelle oder einem Ofen, in dem Steine geschichtet und mit Wasser übergossen
wurden, um Dampf zu erzeugen. Die öffentlichen Bäder, die meist auch Vollbäder in
Wannen anboten, breiteten sich mit dem Aufblühen der Städte rasch aus, bald gab es
keine Stadt, die nicht mehrere Bäder besaß, lediglich die kleinen Orte begnügten sich
mit nur einer Badstube. So zählte Paris 1292 bereits 26 Bäder, Mainz hatte im 14. Jahr-
hundert vier, im 15. Jahrhundert fand man in Würzburg acht, in Ulm elf, in Schwäbisch
Hall vier und in Nürnberg zwölf gemeine Badstuben. Sie waren aus dem alltäglichen
Leben nicht mehr fortzudenken.13
Tirol stand nicht zurück. Für Brixen werden schon zu 1218 ein Bader und seine
Söhne erwähnt,14 in Bozen sind zu 1237 ein Bader und zu 1242 eine Badstube doku-
mentiert,15 für Hall eine solche zu 1335.16 Im 14. Jahrhundert waren noch Bader und
öffentliche Bäder in Innsbruck, Meran und Sterzing anzutreffen,17 um 1400 zu Kitz-
bühel und 1483 in Kufstein18, 1478 in Lienz19, 1485 in Klausen20, 1487 in Bruneck.21
In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz drangen die gemeinen Badhäuser ins
ländliche Gebiet, in die Dörfer, zumindest in größere, vor.22 1506 hatte z. B. schon Auer
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute