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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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ten die Badegäste selbst gewesen sein, doch genauso oft kamen wohl Badeknecht und
-magd dafür in Frage, wie die Baderordnung Freiburgs aus dem Jahr 1477 zeigt. Darin
heißt es, habe ein Meister von einem Diebstahl durch sein Gesinde erfahren, dann dürfe
weder er noch sonst ein Meister eine solche diebische Person beschäftigen und anderes
Badevolk solle sich weigern, mit ihr zusammenzuarbeiten.59
Im Allgemeinen legten angesehene Leute der Stadt ihre Straßenkleidung erst in der
Abziehstube ab und brachten ihr Badegewand von zu Hause mit60. Bei Frauen war es
ein kurzes ärmelloses Hemd, die »Badehr«61, bei Männern eine »Bruch« (Badehose),
Unterhose, ein Hemd oder Kittel. Ob man mit einem Hemd immer sittsam bekleidet
war ist zweifelhaft. Im spätmittelalterlichen Wiesbaden z. B. wurde darüber geklagt,
dass man bei manchen Männern im Bad den Hintern, bei einigen Frauen die bloße
Brust sehen könne.62 Da war wohl das Hemd zu kurz, der Ausschnitt zu groß. Wer es
sich leisten konnte, brachte seine eigene Badewäsche, einen Bademantel, zumindest ein
Badetuch oder Badelaken, auch eine Badekappe (Bademütze) oder einen Badehut (aus
Stroh) und Quast mit.63
Ehe der Bader die Gäste einließ, wurden die Dielen und Bänke abgewaschen, weil
sich während des Anheizens Ruß64 auf ihnen abgesetzt hatte. Gleichzeitig begoss
man den Fußboden zur Abkühlung mit Wasser, da er heiß geworden war.65 Die ein-
tretenden Besucher erhielten vom Bader oder seinem Knecht einen Badewedel, auch
Quast genannt. Dies war ein Büschel aus belaubten Birken- oder Eichenzweigen und
führte zu erhöhter Blutzirkulation und vermehrter Schweißabsonderung, wenn der
Knecht damit den Körper des Gastes schlug und rieb. Um die Poren zu öffnen und
Schmutz zu entfernen, wurde zuvor der Schwitzbadbesucher aus einem Schaff66 mit
lauwarmem Wasser übergossen. Saß er auf der Bank, fächelte er sich mit dem Quast
Dampf zu, rieb und schlug mit ihm seinen Leib, um den Schweißausbruch zu steigern.
Waren die Geschlechter unter sich und badeten nackt, bedeckte man mit dem Wedel
die Scham.67
Um sich an die Temperatur zu gewöhnen, war es empfehlenswert, sich erst auf die
unterste Schwitzbank zu setzen oder legen und erst später auf die oberste zu steigen.
Wer sich gleich zu Anfang der größten Hitze aussetzte, lief Gefahr, von oben ohn-
mächtig herabzufallen oder gar »todt wie das Viech auß dem Bad hinauß getragen [zu]
werden«, meint Guarinonius, der gleich als guten Rat hinzufügt :
»Wiltu ohne grossen Schaden schwitzen, Fleuch die grosse Hitz, thu nicht z’hoch sitzen,
Sonst fällst herab auf allen Viern, Ligst da wie todt, kanst dich nicht rührn«.68
Der Bader musste dann die in Ohnmächtigen durch Überschütten mit kaltem Wasser
wieder zur Besinnung bringen, was gar nicht so selten vorkam, auch bei Männern, die
fasziniert vom Blick durch das »Gätter« in die Frauenstube, oben zu wenig auf die
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute