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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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ries befallene Zähne ausgebrannt und die entstandenen Hohlräume mit Blattgold oder
Blei gefüllt, Klistiere gesetzt, Abführmittel gegeben, Wunden verarztet oder neu ver-
bunden, Knochen geschient, Knochenverrenkungen behoben, Geschwüre und Haut-
krankheiten (sehr häufig) behandelt, Medikamente ausgegeben, sogar Amputationen
vorgenommen. Doch das galt nur für die besten der Wundärzte. Das allgemeine medi-
zinische Niveau der Handwerkschirurgen lag im 16. Jahrhundert niedriger, ihr Besitz an
chirurgischen Instrumenten war lange Zeit bescheiden.108 In Seuchenzeiten erwartete
man von den Badern, dass sie sich der Infizierten annahmen,109 falls nicht eigene »To-
tenlässl« bestellt wurden (s. u.). Anscheinend standen manche Bader den Damen mit
allerlei Schönheitsmittelchen auch als Kosmetiker zu Diensten.110 Neben der Zahn-
pflege übten die Bader auch die Mundhygiene aus. Dazu diente ein Zungenschaber.
Wer an die Säftelehre glaubte, glaubte auch daran, dass das Gehirn Schleim absonderte.
Durch Abhusten, Ausspucken und Schaben der Zunge am Morgen sollte das Stocken
des Schleims vermieden werden. Man konnte das auch durch den Bader nachholen
lassen. So wurde der Zungenschaber ein Kennzeichen des Baders bzw. Wundarztes.111
Jeder Bader war auf die Einkünfte aus Körperpflege und Wundarznei angewiesen,
ob er nun im Badhaus tätig wurde oder in den Wohnungen der Kunden bzw. Patienten.
Vom Badebetrieb allein, der oft mehr Unkosten als Einnahmen brachte,112 hätte er
nicht existieren können. Das war ein reines Pfenniggeschäft, wohin man auch blickt. In
der Regel belief sich der Preis für ein einfaches Schwitzbad nur auf ein bis zwei Pfennig,
in Bamberg 1480 gar nur auf einen Heller, für Vermögende auf das Doppelte, also auf
einen Pfennig. Häufig wurden beim Geld Alters- oder Standesunterschiede gemacht,
besondere Dienstleistungen mussten extra bezahlt werden, das Badgeld konnte auch
aufgeteilt werden. So hatte 1480 in Freiberg (Sachsen) ein »namhafter« Mann drei
Pfennig für sich und sein Gesinde zu zahlen, wovon anderthalb Pfennig der Bader,
einen Pfennig das Stubenpersonal und einen Heller die »Schurin« (Heizerin) erhiel-
ten, ein Handwerksmann und ein lediger Geselle gaben dem Bader zwei Pfennig, die
Frauen zwei Pfennig für sich, einen Pfennig für ihre Magd, dem Bader und der Bade-
magd einen Pfennig.113
Kinder kamen auch nicht ungeschoren davon. In Mosbach (Baden) mussten Jungen
und Mädchen im Alter von 12 bis 14 Jahren zwei Pfennig Badgeld geben, also so viel,
wie Knechte und Mägde, die nur badeten, aber sich nicht schröpfen ließen. Ein Kind,
das schon einen Kübel tragen konnte (ca. neun bis zehn Jahre alt), hatte einen Pfennig
zu entrichten, zwei jüngere kleine Kinder zusammen einen Pfennig.114 Bestanden in
größeren Städten wie Wien komfortablere Badeeinrichtungen, schnellten die Preise in
die Höhe. Dort kostete ein Schwitzbad vier, ein Wannenbad sechs Kreuzer, der Haar-
schnitt eines Dienstboten drei Kreuzer.115 Als im 16. Jahrhundert die Holzpreise stark
anstiegen und der Besuch der Bäder zurückging, konnten die Bader nicht mehr ihre
Preise halten. Die Obrigkeiten bewilligten ihnen deshalb fast überall eine Erhöhung
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute