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Private Bäder, Badezimmer
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war den Obrigkeiten sehr wohl bewusst. Solche Maßnahmen beeinträchtigten natürlich
bei lang anhaltenden Infektionskrankheiten die Rentabilität des Bades und verstärkten
die Schwierigkeiten des Baders, aber sie waren nicht hauptverantwortlich für die Schlie-
ßungen, zumal nicht wenige Badestuben selbst bei Epidemien den Betrieb weiterführ-
ten.184 Ansteckung hin oder her, die Leute wollten auf ihr wöchentliches Bad nicht ver-
zichten. Bezeichnend für ein solches Verhalten sind die Quellenzeugnisse aus Rattenberg.
Wie andere Tiroler Orte litt Rattenberg immer wieder unter Infektionskrankheiten,
die um die Stadt grassierten oder in sie eindrangen. Nimmt man die Jahre 1512/13,
1526/28 und 1543/45, als es hier zu länger anhaltenden Seuchenzügen kam, traf der
Rat, in Absprache mit dem Stadthauptmann und der Regierung oder auf ihre Weisung
hin, folgende Vorsichts- oder Abwehrmaßnahmen. Es wurden Sondertorhüter bestellt,
Schiffe durfte nicht mehr an der städtischen Arche anlegen und Schiffsleute nicht
mehr die Stadt betreten, niemand, der aus einem verseuchten Gebiet kam, durfte ein-
gelassen werden. Infizierte Personen kamen in das Spital, das mit zusätzlichem Bett-
zeug versehen wurde, oder in ein Haus außerhalb der Stadt, in anderen Fällen wurden
sie in ihrem Haus, das mit Wachs und Schnüren versiegelt wurde, eingesperrt und
nicht vor vier Wochen hinausgelassen. Der Rat bezahlte Leute, die den Seuchenkran-
ken aufwarteten, ihnen Lebensmittel zutrugen, die Toten einnähten und begruben. Ein
eigens angestellter Totenlässl ließ die Erkrankten zur Ader und versorgte sie medizi-
nisch. Kirchtage, Prozessionen und Märkte wurden abgesagt.185
Nicht ein einziges Mal wird erwähnt, dass während einer Seuche das städtische
Bad geschlossen wurde. Der Rattenberger Bader erhielt nach wie vor seinen vollen
Jahreslohn von 16 Gulden, der Badebetrieb lief, wie viele Hinweise in den Quellen
erkennen lassen, einfach weiter. Lediglich bei akuten Fällen, wenn z. B. Syphilis auftrat,
wurde das Bad kurzzeitig geschlossen. Zu behaupten, der »tatsächliche Schlag gegen
die Bade stuben« sei durch die Syphilis gekommen,186 stimmt nicht. Sie war immer
bloß ein vorübergehender Störfaktor, mehr nicht.
2.1 Private Bäder, Badezimmer
Nicht nur störend, sondern finanziell geradezu bedrohlich konnten für einen Bader die
privaten Bäder werden, die seit dem Ende des Mittelalters beim vornehmen Leuten
mehr und mehr in Mode kamen und eine gewichtige Ursache für den Niedergang
der öffentlichen Bäder wurden. Dem Bader ging die zahlungskräftige Kundenschicht
verloren.187 Bei privaten Bädern denkt man unwillkürlich an eigene Badezimmer im
Wohnbereich und liegt damit gründlich daneben. Noch lange Zeit verzichtete man
fast immer darauf und begnügte sich bei Adel wie Bürgertum mit einer in den Raum
gestellten Wanne, mit oder ohne Baderof.
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute