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Das Badewesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert
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Thermalwasser könne Gallen- und Nierensteine auflösen, hieß es, Menschen mit aus-
gemergelten und abgemagerten Körpern kämen durch Bäder wieder zu Kräften, sie
könnten auch bei Gelbsucht und Verstopfung helfen und sich positiv auf die Mischung
der Körpersäfte auswirken. Kalte Bäder oder Übergießungen seien manchmal bei Po-
dagra (Gicht) und Lähmungen zu empfehlen, Quellwasser überhaupt fördere die Ge-
sundheit.215
Das in Italien zusammengetragene balneologische Wissen fand seit dem 15. Jahr-
hundert in deutschen Bäderbüchlein und -traktaten seine Fortsetzung. Erwähnt sei
das 1562 erschienene »Bäderbüchlein« des Paracelsus. Für ihn ist nicht nur die Zusam-
mensetzung des Wassers (Mineralien) von Bedeutung, sondern auch sein Ursprungsort,
seine Temperatur und das Gestein, worüber es fließt, um die Heilwirkung jeden Was-
sers bestimmen zu können.216 Oft schlugen die Badekuren nicht so an, wie man wollte.
Einerseits mussten die Ärzte übertriebene Hoffnungen auf eine Heilung der verschie-
denen Krankheiten und Gebrechen dämpfen, andererseits ist zu bezweifeln, ob Leute,
die regelmäßig Badefahrten mehr um des Vergnügens willen als zu therapeutischen
Zwecken unternahmen, ernstlich gewillt waren, Badekonsilia, ärztliche Ratschläge,
medizinische Indikationen und diätetische Anweisungen zu befolgen.
Da man kalte Quellen schnell zur Hand hatte, um ein Wildbad mit natürlichem
Wasser (künstlich gewärmt) zu eröffnen, schossen solche Bäder ins Kraut und ermög-
lichten auch den einfacheren Bürgern den Besuch eines Wildbades, da die Reisekosten
zu einem solchen in der Nähe gering ausfielen. Städtische Bader des 16. und 17. Jahr-
hunderts suchten an dieser Entwicklung teilzuhaben und wollten plötzlich überall in
den Städten heilkräftige Quellen entdeckt haben, um nicht noch mehr Kundschaft
zu verlieren.217 Die Landesherren förderten die Kurbäder. Die alte Schwefel- und
Eisen quelle zu Schgums (zwischen Laas und Tschengls im Vinschgau) war schon den
Römern bekannt. Herzog Sigmund hatte das dortige Bad seinem Rat Balthasar von
Liechtenstein, Hauptmann zu Trient, und dessen Vetter als Lehen überlassen. Weil es
an einem »mos« (Sumpfland) lag, »daraus vil ungesunthait den leuten in demselben bad,
als uns furbracht wirdet, aufersteen müge«, erlaubte 1470 der Tiroler Landesfürst den
beiden Liechtensteinern, zwei Gräben durch das Moos bis in die Etsch zu ziehen, um
dem Übelstand abzuhelfen und das Bad zu verbessern.218
Die Scheu vor dem Baden und dem Wasser überhaupt darf nicht dazu verleiten, die
Damen und Herren der frühen Neuzeit als »Dreckspatzen« anzusehen. Sie hatten nur
eine andere Ansicht von der Hygiene als wir, ihre Kriterien für Sauberkeit und mor-
gendliche Toilette entsprechen nicht den unsrigen. War es im 15./16. Jahrhundert noch
ein Gebot des Anstands, sich jeden Morgen Hände und Gesicht zu waschen, ließ man
im 17. Jahrhundert nur noch das Händewaschen zu. Dass, wie früher die Mediziner
meinten, kaltes Wasser die Sehkraft stärke, davon wollte man nichts mehr wissen. Eine
achtbare Person, hieß es nun, solle ihr Gesicht nur trocken abreiben, um den Talg zu
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute