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Das Badewesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert
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Freien, in Flüssen, in Seen zu großer Popularität, von den Medizinern wärmstens emp-
fohlen »wegen der kräftigenden und adstringierenden221 Wirkung kalten Wassers«
(Bonneville). Verbote dagegen – z. B. in Wien 1633, 1643 und 1711 wegen Badens
in der Donau – wurden aus Gründen der Schicklichkeit und wegen der Gefahr des
Ertrinkens in größeren und reißenden Flüssen erlassen, fruchteten aber wenig, zumal
auch höchste Damen und Herren sich ein solches Vergnügen gönnten. König Hein-
rich
IV. von Frankreich liebte es, in der Seine zu schwimmen, sein Hof nicht minder. Es
kam zu regulären Flussbadeanstalten mit Umkleidekabinen, Verleih von Badehemden
und Handtüchern.222
Ein Schritt nach vorn war die Erfindung von Flussbadeschiffen. Man verdankt sie
dem königlich-französischen Leibbader Jean-Jacques Poitevin, der 1760 von Lud-
wig
XIV. die Erlaubnis erhielt, auf eigene Kosten zwei Schiffe zu bauen. Das größere von
beiden, zweistöckig, fest auf der Seine bei der Vorstadt St-Germain-en-Laye verankert,
hatte insgesamt 33 Badezimmer für Männer und Frauen, meist mit Betten versehen.
Das Wasser wurde mit zwei Handpumpen aus dem Fluss gepumpt, durch drei mit Sand
gefüllte Gefäße gefiltert, bevor es in die Röhren kam und in einer Kesselanlage erhitzt
wurde. Man konnte aber auch vom Schiff aus im Fluss baden oder schwimmen lernen.
Die besten Badeschiffe in Paris wurden immer luxuriöser und komfortabler, hier ver-
kehrte die Pariser Oberschicht, namentlich die Jugend, in extravaganter Kleidung und
pflegte einen exzentrischen Lebensstil. Nicht ganz so prächtige Badeschiffe befanden
sich auch außerhalb Frankreichs, z. B. in Frankfurt am Main, Mannheim und Wien.223
Das »Flussschiff« in Wien war allerdings nicht mehr als ein schwimmendes Floß. Es
handelt sich um das 1781 eröffnete Ferrobad im Donauarm in der Nähe des Augartens
am Tabor. Das Floß hatte in der Mitte ein offenes Becken zum Strom hin. Rundherum
waren Umkleidekabinen angebracht. 1831 wurde ungefähr an der Stelle des Ferrobades
eine komfortable Damenschwimmschule (offizieller Titel : Ferdinand-Marien-Donau-
Schwimm- und Bade-Anstalt am Tabor nächst dem k. k. Augarten) errichtet, der bald
eine Männerabteilung folgte. Durch einen Brand 1848 zerstört, wurde das Bad wieder
aufgebaut und führte nun den einfacheren Namen »Marienbad«.224
Vertreter der Aufklärung wie Rousseau, Diderot und Voltaire sprachen sich für ein
natürliches Leben, für die Naturverbundenheit aus. Dem Motto »Zurück zur Natur«
kamen die kalten Bäder entgegen, die vermutlich in erster Linie dafür verantwortlich
waren, dass das Badewesen eine Renaissance erlebte. In diesem Sinne typisch war das
Entstehen von Seebädern, zunächst in England (Brighton, Margate, Deal, Harwich),
bald auch in Deutschland (Doberan 1794, Norderney 1797, Travemünde 1800, Wan-
gerooge 1804, Rügenwalde 1815 usw.). Seebäder wurden rasch beliebt, besonders beim
Adel. Wie die mondänen Thermalbäder im Binnenland (Bad Pyrmont, Baden-Baden,
Karlsbad, Wiesbaden) entwickelten sie sich rasch zu Luxusbädern und entfalteten ein
reiches Kulturleben (Buchhandlungen, Bibliotheken, Theater, Konzerte, Casinos, Bälle,
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute