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Bader, Badknechte, Reiberinnen und Gewandhüterinnen zu Rattenberg
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Anfang 1529 ist Katherina, Heinrich Öttingers Witwe, gestorben. Ihre drei hinterlas-
senen Kinder Anna, Apollonia und Margreth erhielten neue Vormunde. Bei der Erb-
aufteilung bekamen die drei Kinder 45 Gulden, alles andere fiel an Veronica Hueberin,
die Gattin des Jacob Rasp aus »Partisgadn« (Berchtesgaden) und Michel Hueber, die
davon alle Schulden ihrer Mutter und Schwiegermutter417 zu bezahlen hatten.418 Ve-
ronica und Michel stammen also aus ihrer ersten Ehe mit Michael Hueber. Der Nach-
lass muss äußerst dürftig gewesen sein. Denn zur Türkensteuer vom 23. Februar 1529
veranlagte die Stadt »Öttingers Erben« mit nur zwölf Kreuzern. Damit gehörten sie zu
den 18 % der Einwohner, die am geringsten belastet wurden.419
Um die Nachfolge Öttingers bewarben sich Jorig Eberl, Barbier aus Schwaz, und
Hans Kentler, der eine »fürschrift« Sigmund Fiegers vorlegte.420 Die Intervention des
angesehenen Schwazer Großgewerken Fieger und anderer fruchtete. Kentler erhielt
das Bad ab Weihnachten 1523 (s.u.).
4.2.1 Das Maibad
Da es für Rattenberg im 16. Jahrhundert keine literarischen Zeugnisse wie Chroni-
ken, Memoiren, Tagebuchnotizen, Reisebeschreibungen gibt, die über das Alltagsleben
der Bewohner unterrichten könnten, ist man auf offizielles Schrifttum wie Urkunden,
Ratsprotokolle, Regierungserlässe und Rechnungen verschiedener Provenienz ange-
wiesen. Es liegt im Charakter solcher Dokumente, dass sie äußerst selten Einblicke
in das wirkliche Leben einer Stadt gewähren, es sei denn, ein Bewohner hätte sich auf
die eine oder andere Art vergangen und sei deswegen gerügt oder bestraft worden. Hin
und wieder fällt dann doch einmal etwas für die Alltags- und Festtagsgeschichte ab. So
auch für Rattenberg im Jahr 1523, als Heinrich Öttinger noch lebte. Der städtische
Baumeister notierte damals in seiner Rechnung, er habe in der Woche Quasimodoge-
niti (12.–18. April) »das vorheusl im pad zum Mayen pad ausgemacht und zugericht«.421
Maibäder sind nie Schwitzbäder, sondern immer Wasserbäder, gleich ob sie an einem
Kurort, im Freien, in der Badstube oder im eigenen Haus genommen wurden. Sie fan-
den im Mai (namentlich in der Walpurgisnacht) oder sonst im Frühling statt und sind
vielfach für die Schweiz und Deutschland, besonders Süddeutschland bezeugt. Für Tirol
gibt es bislang meines Wissens keinen Nachweis für ein Maienbad in der Badstube. Man
bringt diese Bäder mit dem Volksglauben, mit der wieder erwachenden Natur seien im
Mai die naturwarmen oder erwärmten Quellwasser am heilkräftigsten, in Verbindung.
Davon profitierten besonders jene öffentlichen Badstuben in Süddeutschland und der
Schweiz, deren Brunnenbecken aus Quellen, die als heilkräftig galten, gespeist wurden.
Das warme Wasser in der Wanne, die »oben wol bedeckt« sein konnte (Baderof),
wurde häufig mit guten, frischen Frühlingskräutern angereichert. Neben der Gesund-
heit kam auch der Magen nicht zu kurz, wenn nicht überhaupt das Essen und Trinken
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute